Pressemitteilung der „BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“ vom 15.07.2011

In einer Pressemitteilung beschuldigte die Polizei am 4. Juli 2011 nach dem Freispruch im Böllerwurf-Prozess einen Jugendlichen, einen Beamten zu Boden gerissen und diesen dabei verletzt zu haben. Außerdem werde wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und eines Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz ermittelt.

Bei genauerer Betrachtung lässt sich feststellen, dass keiner der Vorwürfe zutreffend ist.

Was die Polizei rhetorisch als gefährliches Hantieren mit Sprengstoffen aufzubauschen bemüht ist, stellt sich in der Realität heraus als ab 12 Jahren frei verkäufliches so genanntes Jugendfeuerwerk (Klasse I), als Spielzeug, das ganzjährig verwendet werden darf.

Uns gegenüber haben mehrere AugenzeugInnen versichert, dass sich der Vorfall mit dem verletzten Beamten genau anders herum zugetragen hat:

Der Beamte stellte sich dem 16-Jährigen in den Weg, als dieser gerade die spontane Demonstration verlassen wollte. Der Jugendliche wich zurück, wurde aber vom Beamten gepackt, dieser stolperte und ging mit dem Jugendlichen zu Boden. Hier liegt also vielmehr ein körperlicher Angriff durch den Beamten auf den Jugendlichen ohne jeden Anlass vor. Der dem Angegriffenen vorgeworfene "Widerstand" reiht sich ein in die in der Vergangenheit vielfach beobachtete und kritisierte Polizeipraxis, Leuten, die von BeamtInnen angegriffen oder verletzt wurden, diesen "Universal-Präventivvorwurf" anzuhängen.

Man kann nicht anders, als diese erneuten Falschbeschuldigungen als politische Repressionsmaßnahme zu werten. Denn sie erfolgen vor dem Hintergrund einer ganzen Kette vorangegangener Beschuldigungen im Umfeld des Kreishausbrands. Alle diese Ermittlungen stellten sich als unhaltbar heraus und brachen wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Das einzige Strafverfahren, das in diesem Zusammenhang vor Gericht verhandelt wurde - eine unterstellte Körperverletzung durch einen Böllerwurf - endete mit einem Freispruch.

Doch die Polizeiführung zeigt sich unwillig daraus zu lernen. Stattdessen unterstellt Polizeipräsident Robert Kruse der Regionalpresse in einer weiteren Pressemitteilung am 7. Juli, sie bagatellisiere und rede "rechtsfreien Räumen" das Wort.

Dem gegenüber konnten wir bei einer Vielzahl von Versammlungen in Göttingen nicht wenige Rechtsbrüche seitens der Polizei beobachten, so z. B.:

  • Wenn körperliche Angriffe von Polizeibeamten ohne jeden Anlass begangen werden - wie im hier geschilderten Fall.
  • Wenn von Polizeibeamten falsche Beschuldigungen erhoben werden - ebenfalls wie im geschilderten Fall.
  • Wenn Versammlungen verdeckt durch Zivilbeamte des politischen Kommissariats überwacht werden, wie z.B. sämtliche Anti-Atomkraft-Mahnwachen, eine studentische Demo gegen Studiengebühren und sogar eine Kundgebung von ver.di gegen Lohndumping. Diese Praxis ist spätestens seit dem 1. Februar rechtswidrig, denn seither bestimmt das Niedersächsische Versammlungsgesetz in §11 unzweideutig, dass sich anwesende PolizeibeamtInnen der Versammlungsleitung erkennen zu geben haben.
  • Wenn Demonstrationen von Anfang bis Ende auf Video dokumentiert werden mit der etwas fadenscheinigen Begründung, einzelne Personen seien rechtswidrig vermummt.Nach §12 NVersG ist diese Dokumentation aber nur bei erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit zulässig, was aber bei einer kleinen Anzahl unkenntlicher Personen nach einschlägiger Rechtsprechung nicht der Fall ist.

Herr Kruse hat allen Grund sich mit Falschbeschuldigungen und Pressebelehrungen zurück zu halten. Er wäre in dieser Situation gut beraten, seine Hausaufgaben zu machen und in seinem eigenen Haus für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu sorgen.