Gemeinsame Pressemitteilung von Rechtsanwalt Sven Adam, Göttingen und
„BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz" vom 14.8.2015

Das Verwaltungsgericht (VG) Weimar hat mit Urteil vom 23.06.2015, zugestellt am 12.08.2015, fünf Klägerinnen und Klägern aus Göttingen im Alter zwischen 27 und 71 Jahren Recht gegeben, die nach einem umstrittenen Polizeieinsatz im thüringischen Leinefelde aus dem Jahr 2011 gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen haben.

Am 03.09.2011 initiierte der Neonazi Thorsten Heise erstmals den Heimattag in Leinefelde. Statt die hiergegen protestierenden Demonstrierenden als Demonstrationszug nach einer bereits abgeschlossenen Gegenkundgebung wieder zurück zum Bahnhof von Leinefeld gehen zu lassen, umschlossen Polizeikräfte insgesamt 77 teilweise sogar unbeteiligte Personen nach kurzem Weg für mehr als eine Stunde. Die so in Gewahrsam genommenen Personen wurden durchgängig videografiert. Letztendlich wurden von allen umschlossenen Personen die Personalien festgestellt. Erst im Verlauf der Maßnahme wurde den überraschten Betroffenen mitgeteilt, dass sie angeblich an einer verbotenen Versammlung teilgenommen hätten (siehe auch: Pressemitteilung vom 05.06.2013). Einige Wochen später erhielten nahezu alle Betroffenen von dem Landkreis Eichsfeld Bußgeldbescheide wegen der angeblichen Teilnahme an einer verbotenen Versammlung.

Dieser Polizeieinsatz und seine Folgen waren rechtswidrig. Nach einer mündlichen Verhandlung vom 23.06. d.J. hat das VG Weimar nun die Urteilsgründe an die Klägerinnen und Kläger zugestellt. Selbst wenn es ein Verbot gegeben habe, so das Gericht, war dieses nicht gesetzesmäßig. Von den Demonstrierenden sei keine das Verbot einer Versammlung rechtfertigende Gefahr ausgegangen. Hieraus folge auch die Rechtswidrigkeit der weiteren polizeilichen Maßnahmen in Form der Umschließung und der Personalienfeststellung der Personen. Auch die späteren Bußgeldbescheide des Landkreises Eichsfeld hätten hiernach niemals ergehen dürfen.

Das Gericht hat damit fast 4 Jahre nach dem umstrittenen Polizeieinsatz der gesamten Maßnahme und ihren Folgen für die Betroffenen die rechtliche Grundlage entzogen. "Es war ein steiniger Weg gegen den Widerstand vom Land Thüringen, der zuständigen Polizei, dem Landkreis Eichsfeld und zunächst auch dem Verwaltungsgericht Weimar, um dieses Ziel zu erreichen" führt der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam aus, der die Klägerinnen und Kläger vor Gericht vertritt. "Erst das Thüringische Oberverwaltungsgericht hat in einer Zwischenentscheidung im Jahr 2013 die Weichen für diese Urteile des Verwaltungsgerichts gestellt" so Adam weiter.

"Die falschen Entscheidungen der Sicherheitsbehörden begünstigen die Entwicklung einer neonazistischen Kultur rund um Thorsten Heise. Da mit einer Entschuldigung nicht zu rechnen ist, werden wir nun eine angemessene Entschädigung vom Land Thüringen für die rechtswidrige Freiheitsentziehung geltend machen und diese im Anschluss an die KZGedenkstätte Mittelbau-Dora spenden, sofern die Gedenkstätte dies annimmt und wünscht" führt Roland Laich aus, der als Demonstrationsbeobachter am 03.09.2011 ebenfalls von den Polizeikräften rechtswidrig festgesetzt worden war.

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Anmerkung, 18.9.2015: Der Freistaat Thüringen hat einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt gegen das Urteil des VG Weimar vom 23.06.2015. Dieses Urteil folgt allerdings in seiner Rechtsauffassung und Begründung einem Urteil des OVG Thüringen, das nun über die Zulassung der Berufung entscheiden muss.