Bereits im Oktober 2012 stellte das OVG Koblenz unmissverständlich klar, dass die „Racial Profiling” genannte Praxis der Polizei, bei der Menschen mit einem als nicht „typisch deutsch” verorteten Aussehen gezielt kontrolliert werden, unzulässig ist.
Racial Profiling beruht auf der Annahme, dass nicht „deutsch” Aussehende signifikant häufiger in kriminelle Handlungen verwickelt sein sollen als von Geburt an „deutsch” Aussehende. Diese Annahme stellt leicht erkennbar eine rassistische Diskriminierung dar, das gerichtliche Verbot ist also folgerichtig. Racial Profiling verstößt gegen das Grundgesetz und gegen europäische und internationale Menschenrechtsverträge, stellte das Gericht klar.

Die alltägliche Praxis, die sich in Presseberichten niederschlägt und die wir leider aus eigenen Beobachtungen bestätigen müssen, ist aber, dass das gerichtliche Verbot dieser systematischen Diskriminierung flächendeckend ignoriert wird. Auch in Göttingen.

Dieser fortwährende Verfassungsbruch durch PolizeibeamtInnen zeigt, dass rasisstische Ressentiments nach wie vor fest in den Köpfen vieler BeamtInnen verankert sind. Die Nicht­existenz erkennbar wirksamen Gegensteuerns innerhalb der Polizeistrukturen zeigt aber auch, dass der Polizeiapparat als solcher noch weit davon entfernt ist, sich vom institutionellen Rassismus zu verabschieden, der sich in seiner mörderischsten Gestalt in den Fehlermittlungen bei der rassistischen Mordserie des „National­sozialist­ischen Untergrunds” zeigte.

Das systematische Ignorieren des gerichtlichen Rassismusverbots für die Polizei verdeutlicht der Artikel „Diskriminierende Kontrollen” in der Frankfurter Rundschau (s.u.). Dort wird die Deutsche Polizei­gewerkschaft (DPolG) mit den Worten zitiert:

„Die Gerichte machen schöngeistige Rechtspflege, aber richten sich nicht an der Praxis aus.”

„Mit anderen Worten: Uns doch egal, ob wir gegen das Grundgesetz verstoßen – wir machen einfach so weiter wie bisher”, schlussfolgert der Artikel.

Weiterführende Informationen:

Aktenzeichen: 7 A 10532/12.OVG, OVG Koblenz

Stellungnahme und Informationssammlung des den Kläger vertretenden Anwalts Adam

Pressemitteilung des Deutschen Instituts für Menschenrechte zur Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz

„Racial Profiling“ ist verfassungswidrig, Verfassungsblog, 31.10.2012

Menschen werden öffentlich bloßgestellt, Tahir Della von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, Frankfurter Rundschau, 31.10.2012

Diskriminierung wird in Kauf genommen, Kommentar zum Urteil, Frankfurter Rundschau, 31.10.2012
"Die Bundespolizei kann und soll, so will es der Gesetzgeber, nach Menschen ohne gültige Einreisepapiere suchen. Paragraf 22, Absatz 1a des Bundespolizeigesetzes erlaubt deshalb ausdrücklich, was die Polizei ansonsten in aller Regel nicht darf: verdachtsunabhängige Kontrollen. Mithin: Schleierfahndung. Im Kampf gegen illegale Einwanderung soll erlaubt sein, was ansonsten zu Recht als Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verboten ist. Wer Bundespolizisten mit diesem Auftrag versieht, nimmt rassistische Diskriminierung in Kauf. ... Offen ließ das Gericht jedoch leider, wie sich derlei Diskriminierung wirksam verhindern ließe. Denn die Antwort hätte lauten müssen: nur, indem Paragraf 22, Absatz 1a endlich aus dem Bundespolizeigesetz gestrichen wird."

Diskriminierende Kontrollen, Frankfurter Rundschau, 3./4.8.2013