Der Polizeieinsatz im Wendland zur Durchsetzung des Castor-Transports im Jahr 2010 war nicht nur der bis dahin größte Polizeieinsatz in der Geschichte der Castor-Transporte, sondern gleichzeitig auch der brutalste Polizeieinsatz im Wendland in den letzten 10 Jahren, wie der Ermittlungsausschuss Wendland in seinem damaligen Fazit eindeutig feststellt. Die Folge waren weit über 1000 Verletzte.

Insbesondere am Sonntag den 8. November, wurde ausufernde Polizeigewalt angewandt, um die circa 5000 Teilnehmer der Kampagne CastrorSchottern an den von ihnen öffentlich angekündigten Aktionen des zivilen Ungehorsams auf brutale Weise abzuhalten. Zahlreiche Foto und Videoaufzeichnungen belegen, wie die Polizei mit massivem Schlagstock-, Pfeffer- und auch CS-Gas-Einsatz vorgegangen ist. Bei diesem Polizeieinsatz im Wald der Göhrde wurde ganz offensichtlich auf Anweisung von höherer Ebene wahllos und massenhaft Gewalt durch die Polizei ausgeübt. Bei diesem Einsatz wurden nicht einmal mehr die Minimalstandards des Versammlungsrechts eingehalten. In der Medienberichterstattung blieb in diesem Zusammenhang unerwähnt, dass diese Aktion ganz bewusst rein defensiv angelegt war und sich nicht gegen die PolizeibeamtInnen richtete, die TeilnehmerInnen der Kampagnen-Aktion wurden während der Vorbereitungen ausdrücklich auf diese Linie festgelegt. Vielen Filmaufnahmen zeigen denn auch unzählige von den PolizeibeamtInnen ausgeübte Gewalthandlungen, jedoch fast ausschließlich passive Gegenwehr seitens der Kampagnen-TeilnehmerInnen.

Aber auch an anderer Stelle wurde geltendes Recht bewusst und massenhaft gebrochen, z.B. beim illegalen Gefangenenkessel bei der Auflösung der Sitzblockade in Haringen.

In mindestens zwei Fällen wurden bewusst schwere Verletzung, wenn nicht gar der Tod von Atomkraft-GegnerInnen, billigend in Kauf genommen:

  • Bei der Abseilsaktion in Altmorschen/Hessen konnte sich eine Aktivistin nur in letzter Sekunde vor dem wieder anfahrenden Castorzug in Sicherheit bringen.
  • Bereits nach dem Erreichen der Castorbehälter im Zwischenlager Gorleben wurde ein Baumkletterer in Laase, der sich in circa 4,50 m Höhe befand, mit Pfefferspray attackiert, woraufhin er aus dieser Höhe abstürzte und schwere Verletzungen davontrug.

Weiter unten finden Sie Links zu umfangreichem Beweismaterial, das diese Vorwürfe belegt.

Der niedersächsische Innenminister Schünemann rechtfertigte schon im Jahr 2010 die massive Anwendung von Gewalt durch die Polizei als "angemessen“. Er begründete dies unter anderem mit der Anwesenheit ca. 300 links-autonomen Aktivisten. Wie der Innenminister auf diese Fantasiezahl kommt bleibt ein Rätsel. Da beim Polizeieinsatz gegen Teilnehmer der Kampagne CastrorSchottern wurden rund 1000 Menschen durch den flächendeckenden Einsatz von Pfefferspray an den Augen verletzt wurden, bedeutet dies in der Logik des Innenministers gedacht, dass mindestens 700 nicht der Militanzausübung verdächtige Menschen auf diese Weise von der Polizei verletzt wurden.
Ein Innenminister, der dieses Ausmaß an Polizeigewalt als angemessen bezeichnet und eine illegale Einkesselung von 1300 friedlichen Sitzblockieren rechtfertigt, ist nicht tragbar.

Die Regierung verlangt von der Polizei, ihre verfehlte Politik mit aller Härte gegen einen stetig wachsenden Protest durchzusetzen. Der damalige Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, bezeichnet dies im Jahr 2010 als "Fanal fataler politischer Irrfahrten".

Im Folgenden dokumentieren wir zahlreiche Berichte, Film- und Fotodokumentationen,  die die großflächig angewendete brutale Polizeigewalt belegen:


Als Legal Team beobachten und begleiten eine größere Zahl Anwältinnen und Anwälte Castortransporte als Rechtsbeistände der Protestbewegung.

Pressemitteilung des Legal Team, 18. November 2011:
Legal Team fordert: Grundrechte gelten auch beim Castortransport
"Bereits 2010 kritisierten das Legal Team und der Republikanische Anwältinnen und Anwälte Verein (RAV) das Vorgehen der Polizei. ...

'Während des Castortransportes 2010, hat das Legal Team festgestellt, dass es zu systematischen Verletzungen der Rechte auf Versammlungsfreiheit, der körperlichen Unversehrtheit sowie weiterer Grundrechte der Demonstrierenden kam. Eine solch systematische und offenbar geplante Praxis seitens der Polizei darf sich nicht wiederholen,' so Rechtsanwalt Sven Adam.

2010 setzten Polizeibeamte ohne Vorwarnung und in unverhältnismäßiger Weise, Reizgas und Schlagstöcke ein. Friedlichen Demonstrierenden wurde aus weniger als 50 cm Entfernung Reizgas direkt in die Augen gesprüht und ganze Waldabschnitte mit CS-Gas vernebelt. Polizeibeamte prügelten ohne Vorwarnung und sichtbaren Grund auf Demonstrierende ein. Über 1000 Personen wurden dadurch verletzt. Mehr als 30 Demonstrierende erlitten zum Teil schwere (Kopf)verletzungen.

Die Einrichtung eines Polizeikessels über einen Zeitraum von mehr als sechs Stunden bei Minustemperaturen wurde beschönigend als "Freiluft Gefangenensammelstelle" deklariert. Trotz entsprechender Anträge wurde keine der dort festgehaltenen Personen einem Richter vorgeführt. Das widerspricht dem verfassungsrechtlich verbürgten Richtervorbehalt bei Freiheitsentziehungen. So wurde die Dauer des Gewahrsams allein in das Belieben der hierfür nicht zuständigen Polizei gestellt und die gebotene Freilassung der Betroffenen heraus gezögert.

Des Weiteren kam es zu einer Hausdurchsuchung ohne richterlichen Beschluss, bei der die eingesetzten Beamten vermummt und nicht gekennzeichnet handelten. Sowohl die Anwaltschaft als auch beobachtende Bundestagsabgeordnete wurden von anwesenden Polizeikräften systematisch in ihren Tätigkeiten behindert.

'Es ist nicht hinnehmbar, dass auf rechtswidrige Strategien zurückgegriffen wird, um große demokratische Protestbewegungen einzudämmen' kritisiert Rechtsanwältin Britta Eder."

Komitee für Grundrechte und Demokratie zum Castor-Einsatz
Castortransport ins Wendland:
Grundrechte haben als Grundrechte abgedankt

Schon häufig war die Rede vom Ausnahmezustand, der die Folge des Castortransports ins Wendland ist. Auch in diesen Novembertagen mussten wir erfahren, wie Proteste zwar hoheitlich gewährt werden können, als Grundrechte gegenüber der Staatsgewalt jedoch abgedankt haben. Breite, bunte, konsequente, jedoch durchgängig gewaltfreie Versammlungen haben deutlich gemacht, dass der Staat bereit ist, auf die Willensbekundung seiner Bürger und Bürgerinnen mit der Außerkraftsetzung von Grund- und Menschenrechten, mit der Aussetzung von Demokratie zu antworten. An dieser grundlegenden Feststellung ändern die formal den BürgerInnen hoheitlich zugestandenen  Möglichkeiten, den Protest zum Ausdruck bringen und das Recht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen zu können, nichts. Im Gegenteil, sie verstärken den Gesamteindruck. Mit insgesamt 20 DemobeobachterInnen haben wir die Proteste begleitet. Sicherlich haben wir nicht alles beobachten können und unsere Beobachtungen erst vorläufig auswerten können. Diese Einschätzung können wir jedoch durch folgende Beobachtungen belegen:

"Castor schottern" (Sonntag):
Lange vorher hatten die Gruppen, die zur Aktion "Castor schottern" aufgerufen hatten, angekündigt, sie würden im Kontext dieser Aktion die Schienen betreten und Steine entfernen. Die Aktion war überschaubar und symbolisch, sie war bar jeder Heimtücke oder Gefährdung für die Sicherheit. Früh jedoch waren deren TeilnehmerInnen in die Ecke der Gewalttäter gestellt worden, um jede polizeiliche Gewaltanwendung im Vorhinein zu rechtfertigen. Die Behauptungen, diese Gruppen wären "gewaltbereit", gar gewalttätig, gewesen, stimmen nicht. Sie griffen die Polizei nicht an. So begleitete etwa eine Polizeieinheit eine große Gruppe Demonstrierender von dem Dorf Govelin aus eine knappe Stunde quer durch den Wald. Der zunächst gewählte Abstand, ließ sich im Wald nicht lange einhalten, so dass sie bald gemeinsam, Schulter an Schulter, weiterliefen. Die Polizei wusste, dass sie von dieser Gruppe nicht angegriffen würde. Als sich diese Gruppe allerdings der 50 m-Verbotszone näherte, wurde sie von einer anderen Einheit, einer baden-württembergischen, sofort mit Schlagstöcken und Pfefferspray traktiert. Nicht die allereinfachsten Grunderfordernisse einer "rechtsstaatlichen" Auflösung einer Versammlung wurden eingehalten. Sie wurden nicht aufgefordert, stehen zu bleiben, die Versammlung wurde nicht aufgelöst, Gewaltmittel wurden nicht angekündigt. Stattdessen herrschten auch in dem Bereich, in dem Versammlungen gemäß der Allgemeinverfügung hätten stattfinden können, nur die Gewaltmittel der Polizei. Neben den bereits erwähnten Mitteln wurden auch immer wieder Pferde und Wasserwerfer gegen die Demonstrierenden eingesetzt. Das Gespräch mit den Bürgern und Bürgerinnen fand nicht statt, wurde gar empört zurückgewiesen. Der Souverän hatte der Polizei zu gehorchen und keine Fragen zu stellen. Große Gruppen von Bürgern und Bürgerinnen, die sich auf langen Märschen durch den Wald der Schiene näherten, waren des Grundrechts auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit sowie des Rechts auf körperliche Unversehrtheit völlig enthoben. Das waren unsere durchgehenden Erfahrungen an diesem Tag beiderseits der Schienenstrecke rechts und links von Leitstade.

WiderSetzen (Sonntag):
Auch diejenigen von der Aktion WiderSetzen, die eine Sitzblockade auf den Schienen angekündigt hatten, wurden mit Schlagstöcken angegriffen und sollten mit Pferden vertrieben werden. Vor Harlingen konnten sie letztlich den Schienenstrang auf zwei Kilometern besetzen. Nachdem dies gelungen war, gab die Polizei sich großzügig. Frei konnten Bürger und Bürgerinnen dorthin kommen und sich dazu gesellen. Sie wurden nicht aufgefordert, den Bereich zu verlassen, die Versammlung wurde zumindest seit den späten Nachmittagsstunden nicht für aufgelöst erklärt. Gewaltmittel wurden nicht angedroht. Scheinbar wurde das Versammlungsrecht, sogar entgegen der Allgemeinverfügung, auf den Schienen gewährt. Aber eben nur hoheitlich gewährt, nachdem BürgerInnen es sich zuvor "erkämpft" hatten. Der weitere Umgang mit dieser Sitzblockade zeigt jedoch, dass auch dieser Schein noch trügt. Zwar wurden großzügig Gespräche mit der Bürgerinitiative und den Organisatoren über die Planung einer verhältnismäßige Räumung geführt, gleichzeitig wurde aber die Räumung unter Verletzung der körperlichen Unversehrtheit geplant und zeitnah umgesetzt. Eine Räumung entlang des unwegsamen Bahngeländes ist sicherlich schwierig. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, statt des Wegtragens schmerzende Polizeigriffe anzuwenden. Den Höhepunkt der Grund- und Menschenrechtsverletzungen in dieser Situation stellt die Planung dar, die Gefangenen in einer von Polizeiwagen gebildeten Wagenburg bis zum Ende des (Schienen-) Transportes unter freiem Himmel aufzubewahren. Bei deutlichen Minustemperaturen ist dies auch noch die Verletzung der körperlichen Unversehrtheit. Geschehen ist dies tatsächlich, allerdings letztlich nur bis zur Durchfahrt des Castors durch Harlingen. Aus den vielen Gerichsurteilen, dass Ingewahrsamnahmen rechtswidrig waren, lernt die Polizei scheinbar nur, dass sie weitere Menschenrechtsverletzungen hinzufügen kann.

X-tausendmal-quer (Sonntag bis Montag): und noch ungezählte weitere Aktionen

Nachdem der Transport mit dem hochradioaktiven Müll im Verladebahnhof angekommen war, war die Situation im Wendland von der Absperrung der Transportstrecke gekennzeichnet. Die BürgerInnen konnten sich nicht frei im Landkreis bewegen, und gewöhnlich auch nicht zu den angemeldeten Mahnwachen kommen. Wer nicht gehorchte oder nicht ins polizeiliche Bild passte, riskierte, mit rabiater Gewalt traktiert zu werden. Bewohner durften gar ihre Häuser nicht mehr verlassen.

Trotz dieser Omnipräsenz der Polizei fanden die BürgerInnen allerdings immer wieder Wege ihrem Protest Ausdruck zu verleihen und ließen sich nicht einschüchtern.

In einem ersten Resumee müssen wir feststellen, dass die Grundrechte als Grundrechte aller Bürger und Bürgerinnen über Tage außer Kraft gesetzt waren. Nicht das Grundgesetz und die Menschenrechte bestimmten den Umgang, sondern die Durchsetzung einer Politik, die den Willen der BürgerInnen ignoriert und Interessen der Atomlobby zum Maßstab macht. An erster Stelle hat die Politik versagt. Eine Politik, die nur mit massiven Gewaltmitteln gegen "seine" Bürger durchgesetzt werden kann, ist verfehlt. An zweiter Stelle hat eine Polizei versagt, die bereit war, ihre Bindung an ein "rechtsstaatliches" Vorgehen auszusetzen, um einen Transport zu gewährleisten, der mit verhältnismäßigen Mitteln kaum, allenfalls mit sehr viel mehr Zeit hätte durchgeführt werden können. Die Polizeibeamten und -beamtinnen wurden in diesem Einsatz verheizt, ließen sich aber auch verheizen. Viele von ihnen scheinen noch immer zu glauben, Befehl sei Befehl und sie hätten ohne eigene Gewissensanstrengung zu gehorchen. Schlimmer noch, sie glauben, diese Haltung hätten auch die BürgerInnen gegenüber der Polizei einzunehmen.

Bürger und Bürgerinnen dagegen haben gezeigt, dass es Hoffnung gibt, auf einen Souverän, der die Dinge nicht in den Händen der Politiker belässt, sondern seine Anliegen selbst in die Hand nimmt.

gez.: Theo Christiansen, Elke Steven, Komitee für Grundrechte und Demokratie

Pressemitteilung vom 15.11.10:
RAV fordert Konsequenzen aus systematischen Rechtsbrüchen zur Durchsetzung des Castortransports
Nach den Beobachtungen des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) kam es während des Castortransportes  zu systematischen Verletzungen der Rechte auf Versammlungsfreiheit und der körperlichen Unversehrtheit der Demonstrant/innen sowie weiterer Grundrechte. "Die vielfach zitierte Überforderung einzelner Beamter kann dafür nicht als Begründung herhalten", bilanziert Rechtsanwalt Martin Lemke, stellvertretender Vorsitzender es RAV.

Die Kritikpunkte im Einzelnen:

Unverhältnismäßiger Einsatz von Zwangsmitteln
In seit langem nicht erlebtem Ausmaß setzten Polizeibeamte großflächig, ohne Vorwarnung und in unverhältnismäßiger Art und Weise Zwangsmittel wie Reizgas und Schlagstöcke ein. Mitglieder des "Legal-Teams", des Komitees für Grundrechte und Demokratie und Bundestagsabgeordnete beobachteten, wie friedlichen Demonstrant/innen aus weniger als 50cm Entfernung Reizgas direkt in die Augen gesprüht wurde. Ganze Waldabschnitte wurden mit CS-Gas vernebelt, so dass sämtliche dort Anwesende unterschiedslos betroffen waren. Polizeibeamte - darunter in mindestens einem Fall sogar ein Polizeisanitäter - wurden dabei beobachtet, wie sie ohne Vorwarnung und sichtbaren Grund auf Demonstrant/innen einprügelten. Durch diese Vorgehensweise wurden insgesamt mehr als 1000 Menschen verletzt. Über 30 Demonstrant/innen erlitten zum Teil schwere Kopfverletzungen.

Schwerste Verletzungen nach CS-Gaseinsatz
Am Dienstag, den 9. November 2010, wurde ein professioneller Kletterer, der sich an einen Baum gekettet hatte, von einem Polizeibeamten ohne Vorwarnung in vier Meter Höhe mit Reizgas derart attackiert, dass er vom Baum stürzte. Der Betroffene erlitt eine Fraktur im Brustwirbelbereich und musste mit einem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden. Zuvor hatten ihn weitere Beamten unter Gewaltandrohung noch über 500 Meter weiter weg getrieben, obwohl seine schwere Verletzung unübersehbar war und Augenzeugen die Beamten auch darauf hinwiesen.

Unzulässiger Einsatz europäischer Polizeibeamter
Beobachter des Legal Teams stellten mehrfach den Einsatz bewaffneter Polizeibeamter aus Frankreich und die Anwesenheit weiterer Beamter aus EU-Staaten in ihren jeweiligen Landesuniformen fest. Eine hinreichende Rechtsgrundlage hierfür ist bisher von Seiten  des Landes Niedersachsen und des Bundes nicht benannt worden. Fotografen dokumentierten zudem den gewalttätigen Übergriff eines französischen Beamten auf einen Protestierenden. Der RAV fordert unverzüglich eine Aufklärung dieses Falls - auch in Hinsicht auf strafrechtliche Konsequenzen.

Polizeikessel ohne Rechtsschutz
Während der Räumung der Sitzblockade in Harlingen am 8. November 2010 errichteten Polizeibeamte unter Leitung eines Hamburger Polizeiführers über einen Zeitraum von mehr als sechs Stunden einen Polizeikessel , der ebenso falsch wie beschönigend als "Freiluft-Gesa (Gefangenensammelstelle)" deklariert wurde. Unter Umgehung des verfassungsrechtlich verbürgten Richtervorbehalts bei Freiheitsentziehungen wurde keine der dort festgehaltenen Personen einem Richter des Amtsgerichts Dannenberg zugeführt und auf diese Weise Rechtsschutz verweigert und die gebotene Freilassung der Betroffenen herausgezögert.

Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss
Am Montag, den 8. November 2010 stürmten Polizeibeamte u.a. der Beweissicherungseinheit aus Oldenburg und der 5. Einsatzhundertschaft aus Göttingen gegen 17 Uhr drei Höfe in Grippel, Zadrau und Langendorf und durchsuchten ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss die jeweiligen Scheunengebäude. Während der Durchsuchungsmaßnahme auf dem Hof in Grippel erfolgte selbst gegenüber dort anwesenden Rechtsanwält/innen weder eine Begründung noch eine Erörterung des polizeilichen Vorgehens. Die Beamten waren vermummt und nicht gekennzeichnet.

Behinderung von Beobachter/innen
In einer Vielzahl dokumentierter Fälle versuchten Polizeibeamte die Tätigkeit von Demonstrationsbeobachter/innen, Rechtsanwält/innen und Bundestagsabgeordneten einzuschränken oder ganz zu unterbinden.

"Nach allen uns vorliegenden Berichten sind die Grundrechtsverstöße der eingesetzten Polizeieinheiten keine Einzelfälle. Es handelt sich anscheinend vielmehr um ein systematisches Vorgehen, das nicht hinnehmbar ist.  Auch die Gefahr der Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder eventuellen Straftaten gegen Sachen etwa durch das "Schottern" kann keine Rechtfertigung für systematische gewalttätige Übergriffen und rechtsstaatswidriges Vorgehen seitens der eingesetzten Polizeieinheiten sein", kommentiert Rechtsanwalt Martin Lemke.

"Das Vorgehen der Polizei während des Castortransports lässt befürchten, dass in diesem Rahmen rechtswidrige Strategien der Eindämmung großer demokratischer Protestbewegungen, die allein mit legalen polizeilichen Mitteln nicht kontrollierbar erscheinen, geübt und durchgesetzt werden sollten", ergänzt Rechtsanwältin Britta Eder.

Fazit des Ermittlungsausschuss Wendland vom Polizeieinsatz:
Gewalttätiger Atomstaat
"In der Summe einer der brutalsten Polizeieinsätze anlässlich eines Castor-Transportes ins Wendland, auf jeden Fall das gewalttätigste Vorgehen der uniformierten Staatsmacht im Wendland in den letzten zehn Jahren“, fasst der Ermittlungsausschuss Wendland seine Eindrücke vom Protestgeschehen im Wendland vom 6. bis zum 9. November zusammen. ...
Die polizeilichen Einsatzstrategie ging mit Einschränkungen des Versammlungsrechtes durch Ingewahrsamnahmen, Platzverweise und umfangreichen Personalienkontrollen einher, die durch systematische polizeiliche Gewaltexzesse am Sonntag in der Göhrde ergänzt wurden. ..."

Graswurzel.tv
begleitete am Sonntagmorgen einen Finger der Kampagne Castor schottern auf dem Weg vom Camp Köhlingen zu den Gleisen. Die Aktivist_innen erreichten die Gleise, wo sie von gewaltbereiten Einsatzkräften mit massivem Gebrauch von Pfefferspray, CS-Gas und Schlagstock am Schottern gehindert wurden.
Graswurzel.tv-Video: Systematische, massenhafte brutale Polizeigewalt.

NanduTV-Video: Eine knapp 5-minütige Dokumentation der Auseinandersetzungen an der Schiene. Wie der Titel "Polizeigewalt" vermuten lässt, reihen sich hier Szenen aneinander, die Schlagstockprügeleien, einen komplett von CS-Gas vernebelten Wald und massiven Pfeffersprayeinsatz zeigen. Letzterer erfolgt mitnichten in Notwehr, sondern oftmals aus mehreren Metern Abstand auf Personengruppen und erscheint meistens willkürlich. In der Sequenz von Minute 2:48 - 3:00 z.B. wird mit Pfefferspray auf eine völlig ruhige und gelassene Personengruppe gezielt. Gegenwehr gegen die massive Polizeigewalt ist hingegen kaum zu erkennen, die Angegriffenen verhalten sich fast ausnahmslos defensiv.

Ein weiteres Graswurzel.tv-Video zeigt ähnliche Szenen.

Spiegel TV-Video: Ein Polizeisanitäter schlägt mit seinem Sanitätsrucksack zu (bei 0:15 Minuten).

Ein Bericht des ZDF zeigt gleich zu Beginn, wie der selbe Polizeisanitäter gleich drei Mal hintereinander mit seinem Rucksack zuschlägt.

Fotostrecke: CS-Gas
"Zu massiver Gewaltanwendung und eklatanten Ausbrüchen der Eingesetztenkräften kam es bei Leitstade. Anwesende Presse wurde eingeschüchtert und teilweise offen angegriffen. Ausserdem setzten die Kräfte massiv Tränengas ein, welches sie in die flüchtenden Mengen schossen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Gleisanlage kam es zu Knüppeleinsatz, gegen Köpfe und gefallene Aktivist_Innen."

Fotostrecke: Pfefferspray und CS-Gas
"Um 06.00 Uhr morgens starteten aus dem Camp Köhlingen im Wendland ca. 1500 Menschen im dunkeln der Nacht um sich auf den Weg zu machen um an die Castor Strecke zu kommen.
Die ca. 6 Kilometer vom Camp zum Gleis wurden über diverse Feldwege und Wälder zurückgelegt. Nachdem einige Polizeiposten die Tausenden von Schotterern entdeckten, nahmen sie langsam Tuchfühlung auf und versuchten hinterher zu kommen, was ihnen bei der Querfeldein-Strategie sichtlich schwer fiel.
Bei unserem Finger tauchten irgendwann Erfurter BFE-Einheiten auf und begleiteten die Aktivisten in die Wälder. Da sie lediglich mit Kompass und Karte ausgestattet waren und die Finger wohl mit GPS und diese minutengenau in Lichtungen auf mehrere Tausend anschwellten, gelangten tausende an die Schienenstrecke. Die Polizei vor Ort an den Schienen reagierte sofort mit Pfefferspray gegen die Versuche auf die Gleise zu gelangen. Dann setzten Knüppelschläge mit äußerster Brutalität ein, teilweise auch gegen schon liegende und verletzte Personen. Als sich auf der gegenüberliegenden Schienenseite die Menschen in den Wald flüchten wollten, wurden sie plötzlich auf unserem Abschnitt mit ca. 15 Tränengaskartuschen eingedeckt. Die BGS Einheiten vor uns versuchten uns beim dokumentieren zu behindern und nach kurzer Zeit gab es auch ca. 5 Schüsse um uns herum. Danach wurde uns offene Gewalt angedroht, angesichts der Tatsache das um uns herum keine Aktivist_Innen mehr anwesend waren und wir Quasi in diesem Abschnitt nur noch allein waren, zogen wir uns ins Hinterland zurück, auch um den Tränengas-Wolken die mittlerweile durch den gesamten Wald zogen, auszuweichen."

Fotostrecke
: Illegale Beteiligung französischer Polizeibeamter an der polizeilichen Gewaltorgie.

CASTOR-Radio Rückschau 2010
(Download des Radiobeitrags)

Massive Polizeigewalt, illegaler improvisierter Freiluft-Gefangenenkessel bei Minustemperaturen, Inkaufnahme tödlicher Verletzungen von Atomkraft-GegnerInnen durch die Polizei, z.B. bei der Brückenblockade in Morschen/Hessen und des Baumkletterers in Laase.

Zweiteiliger Rückblick auf den Castorwiderstand 2010 mit Live-Interviews.
Erster Teil:

  1. Bericht der Bäuerlichen Notgemeinschaft
  2. Bericht der BI-Lüchow-Lüchow-Dannenberg

Zweiter Teil:

  1. Bericht der Sanizentrale - insbesondere über den schwerverletzten Kletterer vom Transportende
  2. Bericht einer Kontaktperson zu den Bockierern in Frankreich
  3. Bericht eines Aktivisten des Radio Freien Wendland und
  4. Bericht des Ermittlingsausschuss Gorleben sowie einiger am Widerstand beteiligter HöhrerInnen

Besonders erwähnenswert sind folgend Berichte:

Kerstin Rudek, Vorsitzende BI Lüchow-Dannenberg in in Teil 1:

  • zu einem prügelnden Polizeisanitäter bei Minute 31:00 des Radiobeitrags. Siehe auch das Video von Spiegel-TV bei Minute 0:17
  • zum massiven Gas-Einsatz und einer deswegen eine halbe Stunde lang kotzenden Polizeieinheit bei Minute 32:50

Eine Sprecherin der Demosani-Zentrale in Teil 2:

  • zum "routinemäßigen CS-Gas Einsatz" bei Minute 1:30 des Radiobeitrags.
  • zu schweren Verletzungen bei Minute 2:45
  • zu Angriffen der Polizei auf einen Demosani bei Minute 3:50
  • zu einer dreister Polizeiaktion bei Minute 8:35
  • zum durch einen Pfeffersprayangriff aus über vier Meter Höhe abgestürzten und schwer verletzten Baumkletterer bei Minute 4:20

Eine Radiohörerin berichtet von einer Hetzjagd nach der Durchfahrt des Transports und fernab der Castorstrecke auf diejenigen Leute, die dem verletzten Baumkletterer geholfen hatten bei Minute 14:50

Ein Bericht über die brutale Polizeiaktion in Frankreich gegen die Gleisblockierer bei Caen bei Minute 41:50

Ein Sprecher des Ermittlungsausschuss Gorleben:

  • zum "seit mehr als zehn Jahren an einigen Stellen absolut brutalsten Polizeieinsatz", "unglaublichen Reizgaseinsätzen in Gruppen weitab der Gleise", "ein unglaubliches Bild von Brutalität, was sich da abzeichnet" ab Minute 1:00:15
  • zu illegalen Haus- und Hofdurchsuchungen ab Minute 1:01:40

 

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