Wie bereits im Jahr 2010 kam es auch 2011 zu massiven Polizeiübergriffen, die nicht zu rechtfertigen sind. Verprügelte DemonstrantInnen, zahlreiche Verletzte durch Pfefferspray, Angriffe auf die Infrastruktur wie z.B. das Sanizelt, Verletzte durch berittene Polizei... so die erste Bilanz der Castortransporte 2011!

Auf der Internetseite www.castoreinsatz.de erkärt die niedersächsiche Polizei ausführlich ihr Konzept des "Polizeilichen Konfliktmanagements". Dort heißt es:

  • "Wie und an welchen Stellen kann die Polizei, auch schon im Vorfeld, Einfluss nehmen, um die Entstehung gewaltsamer Auseinandersetzungen zu verhindern?
  • Wer kann die Polizei bei diesem Anliegen unterstützen?
  • Wie kann sich die Polizei verhalten, um ihrerseits keine Projektionsfläche für Konfrontationen zu bieten?
  • Wie kann die Polizei ihr Handeln gegenüber Beteiligten und in der Öffentlichkeit transparent, nachvollziehbar und verständlich machen?"

Die Realität sah dann ganz anders aus.

Auf dieser Seite:

 


Metzingen, 24.11.2011

"Bei einer friedlichen Straßenblockade nach einer Kundgebung in Metzingen setzte die Polizei
in unverhältnismäßiger Weise und ohne Vorankündigung Wasserwerfer, Schlagstöcke und
Pfefferspray ein. Mehrere Menschen wurden dabei verletzt, zu den schwersten
Verletzungen zählen mindestens zwei Personen die im Krankenhaus behandelt werden
mussten, mindestens eine Person erlitt eine schwerere Kopfverletzung. ...
Für den Einsatz war ein Einsatzleiter aus Hamburg verantwortlich, der bereits beim
Castortransport 2010 durch die Leitung von Einsätzen aufgefallen war, in deren Verlauf es zu systematischen Verstößen gegen das Versammlungsrecht und weitere Grundrechte kam. ...
Es wird seitens der Polizei offensichtlich versucht, die Protestierenden durch unangemessene
Gewalt einzuschüchtern um sie von ihrem Recht auf Versammlung abzuhalten,“ so
Rechtsanwalt Martin Lemke, Vorstand des RAV und Mitglied im Legal Team." [3]


Metzingen, Dahlem, 25. und 26.11.2011
"Die Polizei (ließ am 25.11.2011) in der Nacht auf Samstag die Situation in Metzingen erneut eskalieren. Auf eine friedliche Blockade der Landstraße reagierten Polizeieinheiten mit Wasserwerfer- und  Schlagstockeinsatz. Ein örtlicher Landwirt wurde auf seinem eigenen Grundstück ohne Grund von der Polizei mit Pfefferspray angegriffen. Einem CASTOR-Gegner wurden dabei von der Polizei Vorderzähne ausgeschlagen. Sanitäterinnen mussten zahlreiche Verletzte behandeln.
Am Vormittag (26.11.2011) konnten sich Demonstranten nur nach entwürdigenden Durchsuchungen an rechtlich ungeklärten „Kontrollstellen“ der Polizei rund um die Ortschaften Metzingen und Dahlem bewegen. ...
Es kam zu zahlreichen Kesseln, in denen auch Minderjährige festgehalten wurden." [4]


Göhrde/Pferdeinsatz
"Auch in der Göhrde wurden wieder zahlreiche Demonstranten verletzt - die brutalsten beobachteten Fälle ereigneten sich durch Polizeieinheiten, die ohne Rücksicht in Personengruppen ritten." [4]

"In mehreren Fällen ritt berittene Polizei in Gruppen von Protestierenden oder verfolgte Menschen. Auch hier kalkulkierten die „Sicherheitskräfte“ Verletzungen ein. In unzähligen Fällen kam es zu Übergriffen mit Schlagstöcken und Pfefferspray. Darüber hinaus kam es zu zahlreichen Hundebissen." [5]

Im Rahmen der Aktion "Castor Schottern" wurden mehrfach Pferde eingesetzt. In einem Video von Graswurzel.tv sieht man, wie ein Polizist mit seinem Pferd in die Menge reitet. Die Hufe seines Pferdes treffen eine am Boden liegende Person an Kopf und Körper, was zu tödlichen Verletztungen hätte führen können. 


Sitzblockade/Kessel Harlingen
"CASTOR-Gegnerinnen und Gegnern wurde in „Freiluft Gefangenensammelstellen“ nicht
ermöglicht, unverzüglich einem Richter vorgeführt zu werden. In mehr als 400 Fällen
vergingen bis zu 10 Stunden, bis das Amtsgericht Dannenberg über die Begründungen der
Ingewahrsamnahmen entschied.
Zu beklagen ist auch, dass in den Gefangenen-Sammelstellen im Allgemeinen miserable
Zustände für die Festgenommenen herrschten." [5]

"Eine grobe Rechtsverletzung fand dabei nach der von WiderSetzen organisierten Schienenblockade statt. Mehr als 1000 Menschen wurden bei Harlingen unter freiem Himmel für viele Stunden in Gewahrsam genommen. “Das Gesetz verlangt in einem solchen Fall, dass die In-Gewahrsam-Genommenen unverzüglich einem Richter vorgeführt werden. Dies ist aber nur in Einzelfällen passiert”, kritisiert WiderSetzen." [12]


Schienenblockade der "Bäuerlichen Notgemeinschaft" - Betonpyramide
"Die Einsatzkräfte (nahmen) bei dem Versuch der Räumung der Schienenpyramide der „Bäuerlichen Notgemeinschaft“ durch polizeiliches Schottern schwere Verletzungen in Kauf. Das konnte nur durch Deeskalation seitens der Bäuerlichen Notgemeinschaft, Ärztinnen und des Legal Team verhindert werden." [5]


Laase - ein ackergroßes schwarzes Loch im Rechtsstaat

Zitate aus der Stellungnahme des arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin (akj-berlin) vom 29.11.2011 Die BeobachterInnen des akj waren - mit magentafarbenen Signalwesten mit der Aufschrift "Observer" vor Ort.

Stefanie Richter, Pressesprecherin des akj-berlin: „Die Polizei rückte bereits Stunden vor Eintreffen
des Castros mit enormem technischen Aufwand an. Insgesamt zwei Räumpanzer, eine Reiter­staffel und zeitweise bis zu neun Wasserwerfer standen ca. 500 friedlichen Demonstrant/innen gegenüber.
Immer wieder schufen die Einsatzkräfte sich selbst Gelegenheiten, um präventiv Zwangs­maßnahmen gegen die Versammelten durchzuführen, ohne diese auch nur anzukündigen oder an rechtsstaatliche Voraussetzungen zu knüpfen.“ [7]

"Dabei wurden nach den Beobachtungen des akj-berlin achtzehn, teilweise aus dem Hinterhalt und mit äußerster Brutalität durchgeführte und scheinbar willkürlich ausgewählte Festnahmen gemacht. Wie in den letzten Tagen auch wurde zwischen den anwesenden Menschen nicht unterschieden, friedlich Tanzende ebenso wie Pressevertreter/innen, Sanitäter/innen und Demonstrationsbeobachter/innen zeitweise aus drei Wasserwerfern gleichzeitig unter Beschuss genommen, geschupst und geschlagen."

Stefanie Richter, Pressesprecherin des akj-berlin: „Die Wasserwerfereinsätze waren selbst dann, wenn sie ordnungsgemäß angedroht worden wären, die Versammlung zu irgendeinem Zeitpunkt überhaupt aufgelöst worden wäre und hierfür ein entsprechender Grund tatsächlich bestanden hätte, ungeeignet, provozierend und gefährlich. Eine Beeinträchtigung der Transportstrecke des Castors bestand ebenso wenig wie irgendeine andere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Die Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahmen war offensichtlich."  [7]

Die BeoachterInnen wurden - ebenso wie andere neutrale Instanzen - von der Polizei behindert, zum Teil sogar geschubst und geschlagen. Siehe auch Artikel "Behinderung neutraler Instanzen".


Aktionsbegleitung in der Göhrde
Aus dem Bericht des akj-berlin:

Stefanie Richter, Pressesprecherin des akj,  findet folgende Worte: "Es handelte sich um martialische Jagdszenen nach dem Ritus: Jagen-Kriegen-Stürzen-Prügeln-Liegenlassen. Insbesondere Einheiten der Bundespolizei und aus Baden-Württemberg setzten ohne Vorwarnung und mit lautem Gebrüll den Menschen nach, rissen sie zu Boden, wo sie sich auf diese knieten oder an Armen und Beinen nach unten drückten, um sie schließlich an Ort und Stelle liegen zu lassen. Die meisten Leute waren in relativ kleinen Gruppen oder einzeln unterwegs. Erfahrungen wie die beschriebenen waren eher die Regel als die Ausnahme." [7]

An unterschiedlichen Punkten entlang der Gleise wurde folgende Beobachtungen gemacht:

  • Heftigere Auseinandersetzungen mit Schlagstöcken und Pfefferspray fanden insbesondere in Breese in der Nähe vom Bahnhof Göhrde statt; dort kam es auch zu Selbstverletzungen unter den Beamten, als diese so heftig und unkontrolliert mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Castorgegner_innen vorgingen, dass sich die Polizisten gegenseitig mit Prügeln und Spray trafen [...]
  • an einer anderen Stelle auf dem Weg zur Schiene wurden die Demobeobachter_innen von Anwohnern auf einen Hof gerufen, wo sie einen stark verletzten Demonstrant vorfanden, der von einem zurücksetzenden Polizeifahrzeug angefahren wurde und erhebliche Beinverletzungen aufwies
  • immer wieder kam es zu Hetzjagden auf einzelne Personen, die nicht auf Festnahmen hinausliefen, dabei wurden teilweise auch am Boden liegende Menschen geschlagen oder getreten
  • allerdings kam es nach einem Pfeffersprayeinsatz zu einer dem äußeren Anschein nach willkürlichen Festnahme einer Person, die im Kreis von Sanitätern und hilfebedürftigen Personen stand, unter dem Vorwand, sie hätte einen Stein geworfen, was aber niemand bestätigen konnte
  • an einer anderen Stelle versuchte ein Beamter den Handschuh eines Demonstranten sicher zu stellen, indem er dem Castorgegner mit dem Schlagstock auf die Hände schlug, woraufhin dieser einen Handschuh fallen lies, zufrieden hob der Beamte den sicher gestellten Handschuh auf und gab dies per Funk an seine Kollegen durch: "Hab ihn!"
  • auch Pferde kamen an den Schienen wieder zum Einsatz.

Stefanie Richter bezeichnet die Zwangsmaßnahmen als überzogen und rechtswidrig: "Der Einsatz von Gewalt – noch dazu unter Verwendung sog. 'technischer Hilfsmittel' wie Schlagstöcke und Pfefferspray – gegenüber friedlichen Menschen, ist rechtswidrig, wenn dieser nicht vorher angedroht wird und den Leuten die Möglichkeit geboten wird, sich den Zwangsmaßnahmen durch Befolgung konkreter Anweisungen zu entziehen. Diese Möglichkeit bestand ganz überwiegend nicht. Darüber hinaus wurden Pfefferspray und Schlagstock nicht als letztes, sondern oftmals erstes Mittel eingesetzt." [7]


Polizeiübergriffe in Pommoissel

Aus dem Bericht des akj-berlin:
"Nach dem Abdrängen der Demonstrant_innen an den Schienen am nördlichen Ortsrand von Pommoissel lief eine Gruppe von Castorgegner_innen mit antifaschistischen Parolen durch den Ort. Obwohl die Gruppe weitab von den Schienen und kontrolliert unterwegs war, wurde sie von den Polizeibeamten mit Prügeln tracktiert. Diese Situation war so offensichtlich rechtswidrig, dass die prügelnden Beamten von ihren Kollegen mit Nachdruck davon abgehalten werden mussten." [7]


Legal Team zieht Zwischenbilanz, 28.11.2011
"Weil die Polizeitaktik gegenüber dem massenhaften Protest erkennbar erfolglos blieb, bestimmten vielfach Gewalt und Willkür das polizeiliche Handeln. Die mehr als 140 Verletzten, von denen etwa Zweidrittel durch Schlagstock- und Reizgaseinsätze zu Schaden kamen, belegen, dass die Polizei immer dann, wenn sie ihr Ziel nicht mit legitimen Mitteln erreichen konnte, mit gewalttätiger Eskalation reagierte. ...
Nicht hinnehmbar ist, dass seitens der Polizeiführung selbst schwere Verletzungen von Protestierenden in Kauf genommen werden, um den Castortransport schnell ans Ziel zu bringen. ...
Die Konfliktmanagement Teams der Polizei trugen vielfach dazu bei, die Situation zu eskalieren und rechtswidrige Maßnahmen zu flankieren." [5]

 

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