Am Samstag, den 1. April fand eine als "Friedensdemonstration" deklarierte Querdenkendemonstration in Göttingen statt, die am Bahnhof startete und anschließend in einer langen Demoroute durch die Innenstadt verlaufen sollte. Als Bürgerrechtsorganisation "Bürger:innen beobachten Polizei und Justiz" begleiteten wir die vom Bündnis gegen Rechts und verschiedenen antifaschistischen Gruppen initiierten Gegenproteste, die sich auf eine große Kundgebung am Bahnhof und weitere Kundgebungen in der Innenstadt verteilten.

Die Polizei hatte an dem Tag Einsatzkräfte aus verschiedenen niedersächsischen Städten zusammengezogen und war mit einem sehr großen Aufgebot vor Ort. Der Einsatz wirkte in Teilen unkoordiniert.

Im Verlauf der Querdenkendemo gab es mehr als zehn Blockaden von Gegendemonstrant:innen in der Göttinger Innenstadt, die dazu führten, dass die Demoroute erheblich gekürzt wurde. Die Blockaden wurden von der Polizei zum Teil durch Wegtragen der blockierenden Personen, zum Teil aber auch durch Schmerzgriffe, massives Schubsen oder Wegschleifen geräumt, was nach Aussage von Betroffenen zu zahlreichen Prellungen führte. An einigen Punkten wurden die Sitzblockaden eingekesselt und die Querdenkendemo an den Blockaden vorbeigeführt.

Auch Personen, die sich nach Ansicht der Polizei zu nah an der Demoroute der Querdenkenden aufhielten, wurden während des Demoverlaufs oftmals durch massives Schubsen zur Seite gedrängt, während Teilnehmer:innen der Querdenkendemo sich immer wieder unbehelligt in den Reihen der Gegendemonstrant:innen bewegen durften.

Nach unserer Beobachtung verwehrte die Polizei im Rahmen einer Ingewahrsamnahme einer Person vor Ort den Kontakt zu ihrem Anwalt.

An der Nikolaikirche wurde eine Frau bei einem Sturz am Kopf verletzt, der nach Berichten eines Augenzeugen - und anders als in der Presseerklärung der Polizei behauptet - durch einen Polizeibeamten verursacht wurde. Die Erstversorgung erfolgte - ebenfalls anders als behauptet - nicht durch die Einsatzkräfte, sondern durch eine zufällig vorbeikommende Ärztin.

Gefährlich war an diesem Tag auch der Einsatz einer polizeilichen Pferdestaffel. So kam es immer wieder zu potenziell gefährlichen Situationen. An der Johanniskirche wurde eine Sitzblockade von mehreren Pferden dicht umstellt, deren Hufe nur ca. 60 cm neben den Blockierenden zum Stehen kamen. In anderen Situationen ritten die Reiter:innen bewusst auf eng beieinanderstehende Menschen zu, um diese auseinanderzutreiben oder drängten Menschen mithilfe der Pferde von der Straße. Auch beobachteten wir in einem Fall, dass eine Person mit einem Pferdehintern weggeschubst wurde. Rückwärtsreitende Reiter:innen drehten sich teilweise nicht um, obwohl ihnen bewusst war, dass sie sich inmitten einer engstehenden Menschenmenge befanden. Auch erlebten wir eine Situation, in der eine Reiterin ihr Pferd nach unserer Einschätzung nicht unter Kontrolle hatte. Die Vorstellung, dass dies in einer Menschenmenge und auf nassem und rutschigen (Kopfstein)pflaster passiert, ist beängstigend. Eine solche Situation hätte zu schwersten Verletzungen führen können.

Im Rahmen unserer Beobachtungen wurde auch eine unserer Beobachterinnen von einer Polizeibeamtin gezielt zu Boden geworfen. Eine in der Nähe stehende Person konnte die Beobachterin beim Fallen noch festhalten und mögliche Verletzungen am Knie und eine Beschädigung der Kamera verhindern. Dafür möchten wir uns sehr herzlich bedanken.

Insgesamt war der Tag geprägt von einer gewissen Genervt- und Gereiztheit der Polizei. Das gewählte Einsatzmittel des Schubsens und Zerrens wurde immer wieder auch in Situationen eingesetzt, in denen das Ziel der Polizei nicht klar war. Ob die Ursache des Agierens an diesem Tag Strategie oder persönlicher Frust einzelner Beamt:innen war, können wir nicht beurteilen. Dass der Einsatz der Pferdestaffel in einer Menschenmenge, in einer mittelalterlich geprägten Stadt mit engen Innenstadtgässchen und auf nassen Pflaster nicht zu Verletzten führte, war an diesem Tag reiner Zufall.