Angeordnete Bildlöschung und Personalienfeststellung rechtswidrig

Das Verwaltungsgericht Meiningen stellt mit seinem Urteil fest, dass eine erzwungene Löschung von Fotografien von Polizeibeamten und eine Personalienfeststellung des Fotografen rechtswidrig war.


Laut vom Gericht zitierter Klageschrift hat der Fotograf "mit seiner Digitalkamera eine polizeiliche Maßnahme dokumentiert, bei der durch Polizeibeamte mittels erheblicher körperlicher Gewalt eine weibliche Person in einen dunklen Hauseingang verbracht worden sei. Auf Grund der erheblichen körperlichen Gewalt habe der Kläger sicherstellen wollen, dass Beweise vorlägen, wenn die betroffene Person eine Strafanzeige gegen die Polizeibeamten stellen wolle. ...
Die eingesetzten Polizeibeamten hätten den Kläger als Fotografen bemerkt und hätten sich unmittelbar und bedrohlich in Richtung des Klägers in Bewegung gesetzt. Dieser sei daraufhin ein Stück zurückgewichen, sei aber gleichwohl gepackt, vor die Brust gestoßen und dann ebenfalls in den Hauseingang verbracht worden. Hierbei sei möglicherweise auch das Objektiv der Kamera des Klägers beschädigt worden. In dem Hauseingang sei der Kläger gezwungen worden, das Foto von der Digitalkamera zu löschen. Anschließend sei er gezwungen worden, den Polizeibeamten weitere am 18.06.2011 in Eisenach gefertigte Fotos zu zeigen. Bei jedem Foto, bei welchem Polizeibeamte der BFE Erfurt zu erkennen gewesen seien, sei der Kläger abermals gezwungen wurden, die Fotos per Hand zu löschen. Sodann sei der Kläger zur Angabe seiner Personalien aufgefordert worden, die er, weil eingeschüchtert, ohne Widerstand angegeben habe." Der Fotograf erhob Klage gegen diese Rechtsverstöße, auch wegen Wiederholungsgefahr.

 

Die Polizei argumentierte - wie auch nach unseren Erfahrungen leider üblich - pauschal "dass auf Grund polizeilicher Erfahrungen derartige Fotos häufig im Internet veröffentlicht würden. Bei diesen Veröffentlichungen würden die Gesichter der Polizeibeamten eindeutig identifizierbar zur Schau gestellt. Die Einstellung der Bilder erfolge dabei auf den einschlägigen Seiten anonym und seien keiner konkreten Person zuzuordnen. ... Ob eine Gefahr (hinsichtlich der Identifizierbarkeit der Beamten bzw. eines Verstoßes gegen § 22, § 23 und § 33 KUG, Anm.) vorliege, sei durch eine Gefahrenprognose ex ante zu beurteilen, deshalb dürfe nicht allein darauf abgestellt werden, ob es hinsichtlich des Klägers bereits konkrete Informationen gegeben habe, dass dieser die Bilder veröffentlichen wolle. Vielmehr sei auch die Erfahrung der Polizeibeamten zu berücksichtigen, denn der Gefahrbegriff beinhalte auch ein Prognoseelement, welches die Verbindung zu vergleichbaren Situationen der Vergangenheit herstelle." Weiter wurden durch die Polizei einige unhaltbare Behauptungen aufgestellt, um damit eine "Prognose mangelnder Rechtstreue" zu begründen.

Das Gericht verwarf die Argumentation der Polizei in ihrer Gesamtheit.
Zunächst hielt es die Gefahr des fortgesetzten Rechtsbruch durch die Polizei fest und attestierte wörtlich "Wiederholungsgefahr": "Der Beklagte hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er die Löschung der Bilder für rechtmäßig hält. Die Gefahr, dass es einer zukünftigen vergleichbaren Situation aus den gleichen Gründen wieder zu einer Löschungsanordnung und Personalien­feststellung kommt, liegt damit nahe."
Als nächstes wurde die pauschale Unterstellung einer mangelnden Rechtstreue des Fotografen in deutlichen Worten zurück gewiesen: "Das Bundesverwaltungsgericht ... führt dazu aus: 'Nach einer in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte vertretenen Auffassung ... ist das Filmen und Fotografieren polizeilicher Einsätze grundsätzlich zulässig. Denn die §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz erfassen zusammen mit der Strafvorschrift des § 33 Kunst­urhebergesetz lediglich ein Verbreiten und öffentliches zur Schau stellen aber ... nicht das Herstellen von Abbildungen ... Hiernach ist davon auszugehen, dass im Sinne von §§ 22, 23 Kunst­urheber­gesetz unzulässige Lichtbilder nicht auch stets verbreitet werden. Eine Beschlag­nahme zum Schutz einzelner Personen kann danach nur dann gerechtfetigt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Lichtbilder entgegen den Vorschriften des Kunsturheber­gesetzes unter Missachtung des Rechts der Polizeibeamten und/oder Dritter am eigenen Bild auch veröffentlicht werden'. ... Es reicht nicht aus, dass generell solche Aufnahmen von Polizeibeamten häufig im Internet veröffentlicht werden."
Weiterhin verwirft das Gericht die absurde Behauptung, eine Weitergabe des Fotos der Festnahmesituation an die betroffene Frau sei eine nach § 22 KUG verbotene Verbreitung ohne Genehmigung der aufgenommenen Person: "Dies trifft nicht zu. Die Vorschrift enthält zwei Alternativen: Verbreiten und zur Schau stellen. Diese müssen voneinander abgegrenzt werden. Der Begriff des zur Schau Stellens bedeutet nach allgemeinen Verständnis "etwas den Blicken Anderer aussetzen, von Anderen betrachten lassen. ... Typisches zur Schau Stellen ist etwa die Plakatierung oder Einstellung auf Internet-Seiten. Im Gegensatz dazu bedeutet Verbreitung eine einer Vielzahl von Menschen unmittelbar zugängliche Weitergabe. Typische Synonyme sind Bekanntmachungen, Weiterleitung, Verteilung, Weiterverbreitung und ähnliches. Verbreitung erfolgt hauptsächlich durch Presse, andere Druckerzeugnisse wie Flugblätter, E-Mail. Die Weitergabe eines Bildes an eine einzelne Person zum Zwecke der Beweissicherung für eine Strafanzeige kann unter keine der Alternativen subsumiert werden. Zu Recht hat der Kläger­bevollmächtigte darauf hingewiesen, dass bei einer derart extensiven Auslegung sogar die Übergabe eines Fotos als Beweismittel gegen den Willen des Abgebildeten an Strafverfolgungs­behörden eine unzulässige 'Verbreitung' darstellen würde."
Zuletzt erklärt das Gericht fogerichtig die Personalienfeststellung als unzulässig, da ihr jegliche Grundlage fehle.

Aktenzeichen 2 K 373/11 Me, Verwaltungsgericht Meiningen, 13.03.2012

Anzumerken wäre, dass wir aus eigener Erfahrung bestätigen können, dass von Seiten der Polizei nicht selten zu frei erfundenen Behauptungen sowie haarsträubenden Umdeutungen von Sachverhalten oder gar eindeutigen Rechtsverhalten gegriffen wird, um ihr rechtswidriges Handeln im Nachhinein zu rechtfertigen, wenn dagegen geklagt wird.