Gemeinsame Pressemitteilung, 28.5.2013
Antifaschistische Linke International A.L.I.
Attac Göttingen
BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz, Göttingen
Die Linke Kreisverband Göttingen
Grüne Jugend Göttingen
Jusos Göttingen
GRÜNE Kreisverband Göttingen
Piratenpartei Landesverband Niedersachsen
- Gewerkschaft der Polizei (GdP) scheut öffentliche Diskussionsveranstaltung
- Behauptete Gefährdung von PolizeibeamtInnen durch individuelle Kennzeichnung offensichtlich nicht haltbar
- Nichtaufnahme von Ermittlungen gegen uniformierte GewalttäterInnen wegen Nichtidentifizierbarkeit: Sieben auf einen Streich!
Eine im Rahmen des Göttinger „Bündnis gegen Rechts“ geplante Podiumsdiskussion über individuelle Kennzeichnungen von PolizeibeamtInnen scheiterte an mehrfachen Absagen von VertreterInnen der Gewerkschaft der Polizei. Weder der Niedersächsische Landesvorsitzende Dietmar Schilff, noch der Bundesvorsitzende Bernhard Witthaut und auch nicht die Bundesvorsitzende der GdP-Jugendorganisation Junge Gruppe Sabrina Kunz waren bereit, auf dem Podium Platz zu nehmen. Zusagen gab es hingegen von VertreterInnen der Grünen, Linken und CDU, von GewerkschafterInnen, von der Bürgerrechtsgruppe „BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“ und aus dem Antifa-Spektrum. „Diese Zusammensetzung versprach eine hochkarätige Diskussion, aber durch die Absagen der GdP-VertreterInnen wurde das Vorhaben letztlich als nicht mehr sinnvoll erachtet, weil ein entscheidender Akteur fehlen würde“, kommentierte Roland Laich, Mitorganisator der Diskussionsrunde.
Ein unter Anderem von der GdP oft angeführtes Argument gegen eine individuelle Kennzeichnung seien Gefährdungen und Angriffe auf KollegInnen, die nach einer bereits eingeführten Kennzeichnung in anderen Bundesländern erfolgt seien und auf die Kennzeichung zurück zu führen seien. In den Gesprächen und Mailwechseln mit den genannten GdP-VertreterInnen zur Vorbereitung der Diskussionsrunde, wurde dieses Argument aufgegriffen, mit der Bitte, die Angriffe auf dem Podium zu konkretisieren. Eine Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags auf europaweiter Datenbasis verneinte bereits im April 2011 derartige Vorkommnisse, mit Ausnahme „weniger Einzelfälle“ in Spanien. Auch auf dieses Papier wurden die GdP-VertreterInnen im Vorfeld hingewiesen. Roland Laich von „BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“ resümiert: „Vor diesem Hintergrund verstärken die Absagen seitens der GdP nochmals den Eindruck, dass die ins Feld geführten Angriffe auf PolizeibeamtInnen als kausale Folge einer individuellen Kennzeichnung nicht belegbar sind“.
Auch der Göttinger Polizeipräsident Kruse ist strikter Gegner einer Kennzeichnung: Nach einer Stellungnahme Kruses gegenüber dem Stadtradio Göttingen sei die Erkennbarkeit von Polizeibeamten auch ohne eine Pflicht zur Kennzeichnung gegeben.
Wie falsch diese Behauptung ist zeigt die „Massen-Einstellung“ von Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte, die begangener Körperverletzungen beschuldigt wurden. Anlässlich eines Auftritts des damaligen niedersächsischen Innenministers Schünemann gemeinsam mit Kruse zu Beginn des vergangenen Jahres an der Göttinger Universität gingen PolizistInnen massiv gegen Demonstrierende vor. In Folge wurden insgesamt acht Strafanzeigen gegen BeamtInnen gestellt. Indem sie zwischenzeitlich sieben der acht Verfahren einstellte, widerlegt die Staatsanwaltschaft Göttingen Kruses Behauptung sehr anschaulich. „Allen Fällen ist gemein, dass von Seiten der Staatsanwaltschaft gesagt wurde, Tatverdächtige seien nicht zu ermitteln und in keinem der Fälle wurde die anzeigende Person oder benannte Zeugen auch nur einmal befragt“, erläuterte dazu die Anwältin der AnzeigestellerInnen, Marlene Jendral.
Diese Begebenheiten belegen aufs Neue die Machbarkeit und Notwendigkeit einer individuellen Kennzeichnung von PolizeibeamtInnen. Opfer von unrechtmäßiger Polizeigewalt bedürfen einer von staatlichen Behörden unabhängigen und mit eigenen Ermittlungsbefugnissen ausgestatteten Untersuchungsstelle. Zur Gewährleistung von Rechtssicherheit müssen diese Maßnahmen zügig auf gesetzlicher Grundlage umgesetzt werden.
Das Bündnis gegen Rechts Göttingen begrüßt auch die Bestrebungen der rot-grünen Landesregierung eine individualisierte und anonymisierte Kennzeichnung von PolizistInnen in geschlossenen Verbänden, sowie eine von der Polizei unabhängige Beschwerdestelle für Konfliktfälle, einzuführen.