Verfassungsschutz - der unkontrollierbare Inlandsgeheimdienst Polizeispitzel operieren EU-weit im extralegalen Raum
Ende 2010 wurde in Heidelberg ein verdeckter Ermittler des Landeskriminalamts (LKA) Baden-Württemberg enttarnt. Simon Brenner (Klarname: Simon Bromma) hatte sich in der linken Szene engagiert, um Informationen über Einzelpersonen und linke Zusammenhänge zu sammeln.
Laut FR erklärte das Ministerium 2011, der Ermittler sei gegen „konkrete Zielpersonen“ eingesetzt worden, bei denen „tatsächliche Anhaltspunkte“ vorgelegen hätten, dass sie künftig (!) „Straftaten mit erheblicher Bedeutung“ begehen würden. Darum habe die Polizeidirektion Heidelberg den Einsatz angeordnet.
„Wenn man dieser Logik folgt, dann obliegt es offenbar niedrigsten Polizeibehörden, eine ganze Szene unter Verdacht zu stellen“, sagte Michael Csaszkoczy von der Antifaschistischen Initiative am Dienstag der FR. Der Einsatz des Spitzels sei erkennbar rechtswidrig und mache alle rechtsstaatlichen Ansprüche zu Makulatur. Ein Innenminister, der offenbar weiterhin zu dem Einsatz stehe, mache sich untragbar. [4]
Wie im März 2012 bekannt wurde, hatte Bromma den Auftrag, die linke Szene ohne konkretes Ziel auszuspionieren. "Falls das stimmt, hat die baden-württembergische Polizei ein Problem. Die darf laut Gesetz nur bei konkretem Tatverdacht oder bei konkreter Gefahr verdeckte Ermittler einschleusen. Inzwischen beschäftigt sich das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit dem Fall." [5]
Bromma erfasste außerdem mehr Informationen als er durfte:
"Dokumente deuten darauf hin, dass "Brenner" wesentlich mehr erfasste, als er durfte: Zwar heißt es in der Einsatzanordnung explizit, "Bewegungen aus der Universität heraus zum aktuellen Thema Bildungspolitik" seien nicht Ziel des Einsatzes. Faktisch war Brenner jedoch vor allem mit studentischen Gruppen wie der Kritischen Initiative, dem SDS und dem Bildungsstreikbündnis unterwegs.
"Simon Brenner lernte keine der Zielpersonen je richtig kennen. Trotzdem verfasste er 15 Berichte über seinen Einsatz", sagt Mathias Richter, einer, der bei der Enttarnung des Spitzels dabei war." [6]
Die Polizeidirektion hat inzwischen bestätigt, dass in Heidelberg weitere verdeckte Ermittler unterwegs seien. [7]
Mehr zum Fall Bromma/Brenner:
- 1. www.spitzelklage.blogsport.de
- 2. Indymedia: Der Fall Simon Brenner
- 3. Indymedia: Simon Bromma war/ ist nicht alleine.
- 4. FR-online, 19.01.2011: Fall Simon Brenner, völlig lächerlicher Vorwurf
- 5. FR-online: Mehr spioniert als die Polizei erlaubt
- 6. taz online: Mehr spioniert als erlaubt.
- 7. Radio Dreyeckland: Polizeidirektion bestätigt: Simon Bromma nicht einziger LKA-Spitzel in HD
Der frühere Präsident der Polizeidirektion Göttingen Hans-Werner Wargel wurde als Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes berufen, im Gegenzug wurde der ehemalige Vizepräsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Robert Kruse, Präsident der PD Göttingen.
Mehr dazu bei "Monsters of Göttingen": Wargels aalglatter Abgang – ein Nachruf
"Dieser Verfassungsschutz schützt nicht die Verfassung, sondern ist offenbar selbst eine Gefahr für den freiheitlich demokratischen Rechtsstaat"
"(...) Rolf Gössner stand seit 1970 ununterbrochen unter Beobachtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) - als Jurastudent, später als Gerichtsreferendar, als Publizist, Rechtsanwalt und parlamentarischer Berater, später auch als Präsident/Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte und als Mitherausgeber des alljährlich erscheinenden Grundrechte-Reports und der Zeitschrift Ossietzky, als gewähltes (parteiloses) Mitglied der Innendeputation der Bremer Bürgerschaft und sogar noch als stellvertretender Richter am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen."
Neue Rheinische Zeitung, 08.02.2011
"Jagdszenen mit Danielle"
"Verdeckte Ermittler werden eingesetzt, um Terror und Kriminalität zu bekämpfen. Das ist die offizielle Version. Tatsächlich spionieren sie oft linke und alternative Szenen aus. Das zeigen etliche Enttarnungen in der jüngeren Vergangenheit. (...) Viel gefunden haben sie alle nicht. Eher wurden sie selbst straffällig, blockierten Straßen (wie „Brenner“), zündeten Mülleimer an (wie „Stone“), gingen sexuelle Beziehungen mit Zielpersonen ein (wie „Stone“ und „Durand“). (...)
Verdeckte Ermittler, (...) sind neben der Debatte um die Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten zum sichtbarsten Teil einer sich wandelnden Sicherheitsstrategie der Europäischen Union geworden. Vordergründig geht es in den Plänen der EU-Kommission um Terrorismus und organisierte Kriminalität, seit aber immer mehr verdeckte Ermittler enttarnt werden, wird deutlich, dass mehr dahinter steht. (...)
Die Tendenz zur Infiltration von Protestbewegungen sei „offensichtlich“, sagt der Linken-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko. „Diese Einsätze richten sich gegen richtige und notwendige Widerstandsbewegungen.“ Ermittelt wird dann letztlich vor allem gegen eines: die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. (...)
Nach Ansicht des FDP-Europaabgeordneten Alexander Alvaro geschieht es zudem „im luftleeren Raum“. Alvaro, einer von wenigen Brüsseler Abgeordneten, die sich intensiv mit dem Thema befassen, vermutet, dass es noch mehr Fälle gibt, „in denen Ermittler gezielt politische Gruppierungen ausforschen, ohne dass es dafür einen rechtlichen Rahmen gibt“. Die EU verlasse damit den Pfad der Rechtsstaatlichkeit. (...)
Alvaro kennt noch andere Vorhaben, „bei denen die EU-Kommission in Sicherheitsfragen derzeit ihrer Phantasie freien Lauf lässt“. Mit dem Forschungsprojekt „Indect“ etwa werde versucht, die Vielzahl von Informationen aus dem Internet, aus Datenbanken und von Überwachungskameras zu verbinden. So sollen „Gewalt, „Bedrohungen“ und „abnormales Verhalten“ gefunden und die zugehörigen „beweglichen Objekte“, also Menschen, observiert werden."
Frankfurter Rundschau, 04.02.2011
Bekanntermaßen sind die Leitung der Polizeidirektion Göttingen und der niedersächsische Verfassungschutz personell und ideell eng verbunden.
Auch wenn ein eingeschworenes Trüppchen aus diesem Kreis, erweitert um ein paar Leute von LKA, Innenministerium und Innenminister Schünemann, beharrlich immer wieder die selben unbewiesenen und unbeweisbaren Behauptungen herunterbetet, sind diese immer noch leere Behauptungen. Die unseriösen Ermittlungsmethoden der Göttinger Polizei standen schon oft öffentlich in der Kritik, u.a. auch von Seiten der PolizeikollegInnen aus anderen Bundesländern. So geschehen im Fall des hanebüchenen Einsatzes von Spürhunden. Folgerichtig wurden die Ermittlungen zum Brand im Kreishaus bereits im Sommer 2010 eingestellt.
Nun kann man dieselben leeren Verdächtigungen, die diese Ermittlungen damals propagandistisch begleiteten, wortgleich wieder im Verfassungsschutzbericht 2010 finden. Dies kann nur den Eindruck weiter verstärken, dass der oben dargestellte Kreis mit allen (notfalls auch unrechtmäßigen) Mitteln versucht, die in Göttingen im bundesvergleich starken linken Gruppen und Strömungen zu bekämpfen.
Als bürgerrechtliche Initiative verurteilen wir dieses rechtstaatlich sehr bedenkliche Vorgehen ganz entschieden.
Das Göttinger Tageblatt schreibt dazu am 08.04.2011:
"Schon zum zweitenmal bezeichnet der Minister den bis heute nicht geklärten Brandanschlag vom 22. Januar 2010 im Göttinger Kreishaus als Beleg für eine „neue Qualität linksextremistischer Gewalt“, bei der die Hemmschwelle vor der Gefährdung von Menschen mehr und mehr schwinde."
Kommentar dazu, ebenfalls Göttinger Tageblatt am 08.04.2011:
"Politik statt Fakten
Es brennt und platzt eine Tube Uhu in der Kreishaus-Teeküche, und bis heute fehlt jeder Beweis, ja sogar jede belastbare Spur in die linke Szene.
Dennoch behauptet der Verfassungsschutz schon im zweiten Jahresbericht, dies sei ein Beweis zunehmender linksextremistischer Gewalt. Ist das die Qualität, die man von einem seriösen Geheimdienst erwarten darf? Es beweist nur: Der Bericht ist keine Faktensammlung, er ist eine Sammlung politischer Bewertungen."