Leitfaden für Versammlungsanmeldungen

Rechtsanwalt Hentschel hat einen Leitfaden für Versammlungsanmeldungen herausgegeben.

Basiswissen

Die "Rote Hilfe" gibt die regelmäßig aktualisierte Broschüre "Was tun wenn's brennt?" heraus: "Dort finden sich viele nützliche Tipps & Tricks zum Umgang mit den staatlichen Repressionsorganen in brenzligen Situationen. Angefangen mit der Vorbereitung auf eine Demo, über das Verhalten bei Übergiffen, Hausdurchsuchungen und bei Festnahmen bis hin zu den Nachwehen wie Strafbefehlen, Gerichtsverfahren und DNA-Entnahmen".

Empfehlenswert ist die Seite des Ermittlungsausschuss Frankfurt.
Dort finden sich u.a. Verhaltentipps bei Demonstrationen, Besondere Regelungen für Jugendliche, Rechtsfragen bei Aktionen, Datenauskunft & -löschung, Demo 1x1, Gedächtnisprotokoll.

Jede Versammlung - auch eine unangemeldete - ist durch das Versammlungsgesetz geschützt,

wenn die Polizei sie nicht mit einer entsprechenden Begründung auflöst. Dafür muss eine "unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" vorliegen (§ 8 (1) NversG). Erst wenn die Versammlungs­teilnehmerInnen sich nach einer solchen Auflösung weigern, den Ort der Versammlung zu verlassen, darf die Polizei nach dem Gesetz eingreifen.

Videoüberwachung

Anlasslose Aufnahmen oder Videoübertragungen sind nicht zulässig, wie das Verwaltunggericht Berlin geurteilt hat. Entscheidend ist dabei weder, ob die Aufnahmen gespeichert oder (zur Einsatzleitung oder auf einen Monitor im Kamerafahrzeug) ubertragen werden, sondern allein das Entstehen eines "Gefühls des Beobachtetseins".
"Die Beobachtung einer Versammlung durch die Polizei mittels Kameras und die Übertragung der Bilder in die Einsatzleitstelle ohne die Einwilligung der Versammlungsteilnehmer stellt einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Dies gilt auch, wenn keine Speicherung der Bilder erfolgt. ...
Es macht hier keinen Unterschied, ob die durch die Polizei gefertigten Aufnahmen auch gespeichert wurden, denn das Beobachten der Teilnehmer stellt bereits einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. ... Demnach ist die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen nach dem Kamera-Monitor-Prinzip auch geeignet, bei den Teilnehmern ein Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen und diese - wenn auch ungewollt - in ihrem Verhalten zu beeinflussen oder von der Teilnahme an der Versammlung abzuhalten. Ob die Aufnahmen tatsächlich auch gespeichert wurden, kann der einzelne Versammlungsteilnehmer nicht wissen.
Die Tatsache, dass die Einsatzkräfte der Polizei in dem Übertragungswagen dem Kläger (...) erklärten, es fände keine Aufzeichnung der Bilder statt, ändert nichts an der Beurteilung der Sachlage. Zum einen wurde dies nicht allen Versammlungsteilnehmern kundgetan. Zum anderen bleibt die einschüchternde Wirkung des für alle Teilnehmer deutlich sichtbaren und ständig vorausfahrenden Übertragungswagens erhalten. Der einzelne Versammlungsteilnehmer muss ständig damit rechnen, durch eine Vergrößerung des ihn betreffenden Bildausschnittes (Heranzoomen) individuell und besonders beobachtet zu werden. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten ist dies generell möglich, so dass ein prinzipieller Unterschied zwischen Übersichtsaufnahmen und personenbezogenen Aufnahmen nicht mehr besteht. Hinzu kommt, dass die technische Möglichkeit, die Übersichtsaufnahmen auch zu speichern, dem Grunde nach besteht und jederzeit mittels Knopfdruck erfolgen kann - auch versehentlich."
Aktenzeichen 1 K 905.09, VG Berlin, 5.7.2010

Nach NversG §12 (1) darf die Polizei Portrait- bzw. Übersichtsaufzeichnungen nur bei einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit anfertigen (wie z.B. bei Vermummung einer größeren Anzahl von Personen und auch erst nach Aufforderung zum Ablegen der Vermummung). Übertragungen sind nach §12 (2) zulässig "wenn dies zur Abwehr einer von der Versammlung ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist." Aufzeichnung und Übertragung müssen offen erfolgen.

Offenbarungspflicht von PolizeibeamtInnen

Nach NVersG §11 müssen sich anwesende PolizeibeamtInnen der Versammlungsleitung zu erkennen geben. Dies gilt selbstverständlich auch für BeamtInnen in Zivilkleidung. Ausnahme: Die PolizistInnen ermitteln wegen eines konkreten, schon vor Beginn der Versammlung begangenen Vergehens.

Niedersächsisches Versammlungsgesetz

"Wer demonstrieren darf, bestimmt der Verfassungsschutz"
Seit dem 1. Februar bestimmt in Niedersachsen ein neues Versammlungsgesetz, an welche Regeln sich Demonstrierende zu halten haben. Das neue Gesetz bringt einige Regelungen mit sich, die den Demo-Alltag auf Göttingens Straßen beeinflussen werden.
Monsters of Göttingen, 14.02.2011

Das NVersG im Wortlaut kann man beim "Niedersächsichen Vorschrifteninformationssystem" (NI-VORIS) lesen.

Demonstrationsfreiheit in Bahnhöfen und Flughäfen

"Von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen in Privatrechtsform unterliegen ebenso wie im Alleineigentum des Staates stehende öffentliche Unternehmen, die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, einer unmittelbaren Grundrechtsbindung."
Bundesverfassungsgericht, Aktenzeichen 1 BvR 699/06 vom 22.02.2011

Gedächtnisprotokoll-Leitfaden zum Download

Situationen, in denen es zu Festnahmen oder Polizeigewalt kam, sollten von den Betroffenen und auch den ZeugInnen grundsätzlich in einem Gedächtnisprotokoll festgehalten werden.
Gedächtnisprotokolle dienen dazu, Beschuldigte und ZeugInnen für den Fall von Strafprozessen zusammenzubringen, bei Anzeigen gegen gewalttätige PolizeibeamtInnen, bei eventuell sehr viel später folgenden Prozessen Tathergänge rekonstruieren zu können und einen Überblick über das Ausmaß des Geschehens zu bekommen. Diese Protokolle sind nicht zuletzt für AnwältInnen eine wertvolle Unterstützung ihrer Arbeit.
Um das Schreiben eines Gedächtnisprotokolls zu vereinfachen und damit keine wichtigen Angaben vergessen werden, haben wir in Zusammenarbeit mit Anwälten einen Gedächtnisprotokoll-Leitfaden erstellt, den wir hier zum Download als PDF-Datei und als RTF-Datei zur Verfügung stellen.

Fotografieren/Filmen auf öffentlichen Versammlungen/Veranstaltungen

"Nach § 23 I Nr.3 KUG dürfen Bilder ohne Einwilligung des Betroffenen veröffentlicht werden von Versammlungen, Aufzügen, und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben. Dabei umfasst die Abbildungsfreiheit einer Versammlung nicht nur die eigentliche Versammlung selbst, sondern auch den Rahmen, in dem sie stattfindet und die Wirkung die sie dort erzeugt. Deshalb ist auch die Abbildung von Polizisten, die solch eine Veranstaltung begleiten zulässig." (Quelle: "Der Polizeibeamte und das Recht am eigenen Bild", Fachartikel in DPolG – Info Nr. 26, Deutsche Polizeigewerkschaft, LV Hessen, 05.10.2008.)
Nicht erlaubt ist aber das Veröffentlichen ohne vorher eingeholte Erlaubnis von Portraitaufnahmen von Versammlungs- oder VeranstaltungsteilnehmerInnen, begleitenden PolizistInnen oder Umstehenden, denn bei Nahaufnahmen billigt §22 KunstUrhG ein Recht am eigenen Bild auch bei öffentlichen Ereignissen zu.
Das Veröffentlichen von Aufnahmen ist dabei von deren Anfertigung zu unterscheiden. Allerdings wird seitens der Polizei i.d.R. von einer Veröffentlichungsabsicht ausgegangen und somit dagegen vorgegangen - auch wenn diese Annahme rechtlich fragwürdig ist.
Deshalb empfiehlt es sich nicht, Nahaufnahmen von PolizistInnen zu machen, sondern diese immer im Bezug zur Versammlung abzubilden. Wenn also ein Foto eine begleitende Polizeikette neben einer Demo in Weitwinkelansicht zeigt, so ist dies zulässig. Ebenso, wenn eine Filmsequenz das Auftreten einer Gruppe von BeamtInnen und deren Wirkung auf die Versammlungs­teilnehmerInnen dokumentiert.
Das beweisfeste Ablichten einer von PolizistInnen begangenen Strafttat und zugehöriger TäterIn sind rechtlich ein anderer Fall und dienen der Verfolgung der begangenen Straftat.

Lesenswert in diesem Zusammenhang ist der Beitrag "Haben PolizistInnen ein Recht am eigenen Bild?" im Blog von Benjamin Laufer.

Das Kunsturhebergesetz im Wortlaut.

Speziell mit dem Status von Pressefotografen bei Polizeieinsätzen setzt sich ein Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 19.08.2010 auseinander. Hier wird festgestellt, dass bei PressefotografInnen grundsätzlich von deren Rechtstreue auszugehen ist, solange sich ebendiese PressevertreterInnen bzw. das Presseunternehmen, in dessen Auftrag sie arbeiten, keine vorherigen konkreten Rechtsverstöße gegen die einschlägigen Regelungen (hier insbesondere KUG) haben zuschulden kommen lassen. Aus diesem Grund ist ein pauschales Fotografierverbot durch die Polizei rechtswidrig. Zitat aus dem Urteil, Entscheidungsgründe II. 3. d): "Zwar muss bei einem Pressefotografen grundsätzlich damit gerechnet werden, dass dessen Aufnahmen auch veröffentlicht werden. Es darf aber nicht von vornherein und ohne weitere Anhaltspunkte zukünftiges rechtswidriges Verhalten unterstellt werden. Vielmehr muss im Hinblick auf die zivil- und strafrechtlichen Sanktionen einer unrechtmäßigen Veröffentlichung grundsätzlich von der Rechtstreue des Fotografen ausgegangen werden ..."

In jenen seltenen Fällen, in denen bei einer Veröffentlichung von Fotografien eine Gefährdung von Gesundheit oder Leben von PolizistInnen oder deren Angehörigen oder eine Gefährdung der Einsatzfähigkeit der Polizeieinsatzgruppe nicht ausgeschlossen werden kann, kann die Polizei eine Unkenntlichmachung der BeamtInnen verlangen. Um dies sicherzustellen, kann sie eine gemeinsame Sichtung des Fotomaterials und nötigenfalls auch eine kurzzeitige Beschlagnahme der Speichermedien anordnen. Diese wären jedoch noch am selben Tag im Rahmen einer gemeinsamen Besprechung des Bildmaterials wieder auszuhändigen. Unter Umständen kann die Polizei hierbei die Löschung von Fotos verlangen. Keinesfalls kommt aber eine Beschlagnahme der Kamera in Frage.
Aktenzeichen 1 S 2266/09, VGH Baden-Württemberg

In diesem Zusammenhang sei auch auf den Beitrag Verwaltungsgericht Freiburg bestätigt Recht auf Polizeibeobachtung verwiesen.

Checkliste Hausdurchsuchung

Zur Checkliste
(Zur Verfügung gestellt vom Antirepressionsbündnis Göttingen)

Verletzungen

Broschüre "Ruhig Blut - Selbstschutz und Erste Hilfe auf Demos"

Remonstration

Diesen Abschitt empfehlen wir insbesondere unseren nicht wenigen LeserInnen aus Polizeikreisen

"Das Beamtenrecht trifft im § 36 BeamtStG eine klare Aussage: Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung. Jeder Beamte muss dienstliche Handlungen selbst auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen. Hat er Bedenken gegen eine Weisung, kann er seinen Vorgesetzten gegenüber remonstrieren, das heißt gegen die Ausführung der Weisung Einwände erheben. Wird die entsprechende Anordnung dennoch bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit. Soweit schützt Sie eine Remonstration also auch im Nachhinein vor den möglichen rechtlichen Konsequenzen einer unrechtmäßigen Anordnung - ist also in Ihrem eigenen Interesse. Sie können im übrigen verlangen, dass die entsprechende Anordnung schriftlich gegeben wird.
Wenn aber eine Anordnung die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für Sie erkennbar ist, schützt Sie auch eine Remonstration nicht. Hier sind Sie sogar verpflichtet, diese Anordnung zu verweigern. Sie stehen in der Verantwortung."
Quelle: Informationen für Polizeibeamte zum Castortransport 2010