Pressemitteilung der „BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“ vom 13.1.2013
Am Mittwoch, den 9.1.2013, veranstaltete die NPD in Northeim eine Wahlkampf-Kundgebung. Diese wurde durch ein größeres Polizeiaufgebot unter Federführung der Northeimer Polizei und mit Unterstützung durch Göttinger Einheiten begleitet.
Der Ablauf dieses Einsatzes hinterlässt allerdings den Eindruck, dass die Polizei die Bedrohung durch Rechtsradikale nach wie vor nicht ernst nimmt:
Falsche Darstellung eines Angriffs durch NPD-Anhänger durch die Polizei
Unter Berufung auf den Northeimer Polizeisprecher berichtete die HNA über eine Auseinandersetzung zwischen linken Gruppen in der Bahnhofstraße nach Beendigung der NPD-Kundgebung. Nach Aussage der verantwortlichen Redakteurin hielt die Northeimer Polizei diese Version auch noch am Freitag aufrecht, nachdem eine Göttinger Antifagruppe diese Darstellung in einer Pressemitteilung als falsch zurückgewiesen hatte.
Uns liegen vertrauenswürdige Informationen vor, dass es sich hier tatsächlich um einen Angriff zweier Rechtsradikaler mit Körperverletzung auf eine Gruppe von AntifaschistInnen handelte.
Verhinderung von Strafverfolgung
Ein Beobachter unserer Bürgerrechtsgruppe wurde bei der Abfahrt der NPD-Fahrzeuge von einem Parteiordner in Nahaufnahme abgefilmt. Als er diesen daraufhin laut aufforderte dies zu unterlassen und die Aufnahme zu löschen, wurde er von einem weiteren Ordner zur Seite gestoßen. Nur einer der sich in wenigen Metern Abstand befindlichen mehreren PolizeibeamtInnen, und auch dies nur zögerlich, näherte sich, um die NPD-Ordner von weiterer Gewaltanwendung abzuhalten. Allerdings weigerte sich dieser die Personalien der betreffenden NPD-Leute aufzunehmen. Der Beobachter verwies auf die Bedrohung durch die „Anti-Antifa“ der Rechtsradikalen und dass der NPD-Ordner ihn offenbar fälschlich für einen Gegendemonstranten gehalten habe. Die Antwort des weiter untätigen Polizisten: „Dann haben sie ja nichts zu befürchten.“ Auch der angesprochene Einsatzleiter lehnte ein Eingreifen mit dem Hinweis „er habe keine Zeit" ab, man solle sich an die Anzeigenaufnahmestelle in der Northeimer Polizeiwache wenden. Zwischenzeitlich hatten sich die beiden NPD-Ordner vom Ort entfernen können.
Zwei Tage später schlug der in Northeim filmende NPD-Ordner, Martin Götze, ehemaliger Funktionär der verbotenen HDJ, anlässlich der NPD-Kundgebung in Lingen einem anderen Menschen, der ebenfalls gegen das Abgefilmt-werden protestierte, ins Gesicht. Auch derjenige NPD-Ordner, der unseren Beobachter in Northeim zur Seite stieß, Christian Fischer, ein weiterer ehemaliger HDJ-Funktionär, wurde in Lingen massiv handgreiflich. Diese Szene und die Täter sind gut dokumentiert.
Möglicherweise verbotene Uniformierung der NPD-Ordner
Die NPD-Kundgebung wurde von ca. zehn martialisch und in uniformähnlicher Bekleidung auftretenden Ordnern der NPD abgesichert. Nach § 3 Abs. 3 des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes ist bei Versammlungen „das Tragen von Uniformen oder Uniformteilen oder sonst in einer Art und Weise aufzutreten, die dazu geeignet und bestimmt ist ... den Eindruck von Gewaltbereitschaft zu vermitteln“ verboten. Nach eigener Aussage der NPD auf ihrer Internetseite handelt es sich bei ihren aktuellen Veranstaltungen im Rahmen des niedersächsischen Wahlkampfs um „Kundgebungen“, womit sie unter das Versammlungsrecht fallen dürften. Damit stellt sich für Polizei und Staatsanwaltschaft die dringende Frage, ob dieses Auftreten der NPD-Ordner zulässig ist. Falls dieser Passus im Gesetz nicht bei dieser uniformierten und gewalttätigen NPD-Schutztruppe greifen sollte, stünde die Frage im Raum, gegen wen er sich andernfalls richtet.
Pflege überkommener Feindbilder
Die Frage einer Passantin, was hier denn los sei, wurde von einer Polizeibeamtin mit dem unzutreffenden Stereotyp beantwortet, die NPD erhalte eine Kundgebung ab, „die Linken“ demonstrierten dagegen. Rhetorisch werden mit solchen Äußerungen alle, die gegen Rechtsradikale protestieren, in die „extremistische“ Ecke gestellt.
„In einer Gesamtwürdigung des Einsatzes in Northeim muss sich die Polizei die Frage gefallen lassen, ob sie die Bedrohung durch Rechtsradikale verstanden hat und angemessen ernst nimmt“, sagt ein Vertreter der Göttinger Bürgerrechtsgruppe „BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“. „Ein Jahr nach Bekanntwerden der nazistischen Mordserie, welche mit der Erkenntnis einher geht, dass von Rechtsradikalen eine potentiell tödliche Bedrohung ausgeht, die gleichermaßen MigrantInnen wie alle demokratisch eingestellten Menschen und Parteien bis hin zur CDU betrifft, ist es auch für die Polizei an der Zeit, sich von unzutreffenden Feindbildern und der Vertuschung rechtsradikaler Gewalt zu verabschieden und statt dessen konsequent dagegen vorzugehen.“