Die aktuellen „Empfehlungen für OSZE-Teilnehmerstaaten“ zur Versammlungsfreiheit sind Bestandteil des „Report: Monitoring of Freedom of Peaceful Assembly in Selected OSCE Participating States (May 2017–June 2018)“ vom 19.9.2019. Dieser Report wird regelmäßig herausgegeben von der der OSZE-Unterorganisation „Office for Democratic Institutions and Human Rights“ (OHDIR).

Der Report kann im englischsprachigen Original heruntergeladen werden. Die „Consolidated Recommendations For OSCE Participating States“ befinden sich auf den Seiten 10 bis 17.
Die vorherige Version wurde von Demobeobachtung-Suedwest übersetzt. Deren englisch- und russischsprachiges Original befindet sich im Bericht „Monitoring of Freedom of Peaceful Assembly in Selected OSCE Participating States (April 2015 – July 2016)“ vom 16.12.2016 auf den Seiten 10 bis 18.

Für das Verständnis sei erwähnt, dass die OSZE eine überstaatliche Institution ist und die Empfehlungen sich in erster Linie an Behörden und Gesetzgebungsorgane der OSZE-Mitgliedsstaaten richten.

Bei der Übersetzung haben wir uns bewusst möglichst nahe an den Originalformulierungen gehalten und haben bei einer Reihe von Begrifflichkeiten nicht auf Ausdrücke der deutschen Behördensprache zurückgegriffen. Denn diese werden durch deutsche Gesetze und Vorschriften definiert und dadurch inhaltlich interpretiert bzw. konnotiert. Indem wir auf solche Behördenausdrücke verzichten, wollen wir vermeiden, dass die Übersetzung durch einen spezifisch deutschen Gesetzgebungs- und Behördenblick verzerrt wird, der unweigerlich immer parteiisch und stark interpretativ sein wird.

Es folgt der übersetzte Wortlaut:

Zusammengefasste Empfehlungen für OSZE-Teilnehmerstaaten


Über wichtige Definitionen und Rechtssicherheit

  • Die Gesetzgebung soll in verständlichen und eindeutigen Begrifflichkeiten Vorgaben für die Abhaltung friedlicher Versammlungen garantieren;
  • Gewährleistung, dass die Freiheit sich friedlich zu versammeln für alle unter der Rechtsprechung der Teilnehmerstaaten stehenden Personen, einschließlich Kinder und Nichtstaatsangehörige, rechtlich garantiert ist;
  • Gewährleistung des größtmöglichen rechtlichen Schutzes für alle Ausdrucksformen im Rahmen des Rechts auf Versammlungsfreiheit, einschließlich friedlicher Versammlungen, die keine*n identifizierbare*n Organisator*in haben;
  • Anerkennung und ausdrückliche gesetzliche Regelung in Fällen, in denen eine rechtzeitige Benachrichtigung nicht möglich oder durchführbar ist (z.B. wenn eine Versammlung auf ein Ereignis reagiert, das nach billigem Ermessen nicht vorhersehbar war); diese Versammlungen sind von einem Erfordernis zur vorherigen Anmeldung bzw. Anzeige auszunehmen;
  • Gewährleistung, dass klare und vorhersehbare Verfahren erlassen werden, damit Einzelpersonen beurteilen können, ob ihr Verhalten gegen das Gesetz und die Folgen verstoßen würde, Aufzeigen unter anderem der Definition von verschiedenen Arten von Versammlungen und der entsprechenden rechtlichen Vorschriften, der Behörde mit der Befugnis und Zuständigkeit für die Entgegennahme und Beantwortung von Anmeldungen bzw. Anzeigen von Versammlungen sowie Erlass von Genehmigungen, der Kriterien für den Erlass von Auflagen und Einschränkungen sowie der Kriterien für den Erlass von Auflagen und Einschränkungen und der Folgen für eine Nichteinhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zur Durchführung einer Versammlung;
  • Gewährleistung eines einfachen, schnellen, wirksamen und zweckmäßigen Zugangs zu allen Gesetzen, Verordnungen, Regierungsrichtlinien und anderen Informationen, die für die Ausübung des Rechts auf friedliche Versammlung relevant sind;


Über Anforderungen für die Anmeldung bzw. Anzeige von Versammlungen und deren Genehmigung

  • Gewährleistung, dass Bestimmungen zur Genehmigung oder Anmeldung bzw. Anzeige nur auferlegt werden, soweit dies erforderlich ist zur Ermöglichung der Freiheit zu friedlicher Versammlung oder zum Schutz des Staatswesens oder öffentlicher Sicherheit und Ordnung, öffentlicher Gesundheit oder öffentlicher Sittlichkeit oder der Rechte und Freiheiten Dritter, und nur im geringst nötigen Umfang;
  • Gewährleistung, dass das Verfahren zur Anmeldung bzw. Anzeige schnell, nicht unangemessen bürokratisch, leicht zugänglich und kostenfrei ist und dass das Versäumen einer Anmeldung bzw. Anzeige oder Verstöße gegen das Verfahren zur Anmeldung bzw. Anzeige nicht automatisch zu einem Verbot oder einer Auflösung einer ansonsten friedlichen Versammlung oder zu Freiheitsstrafen oder hohen Geldbußen führt;
  • Gewährleistung, dass die Frist für die Anmeldung bzw. Anzeige so kurz wie möglich ist, aber die Behörden noch hinreichend Zeit haben, um sich auf die Versammlung vorzubereiten, und dass die Anforderungen an die Anmeldung nicht ungebührend beschwerlich sind (die geforderten Informationen sollten lediglich das Datum, die Uhrzeit und den Ort der Versammlung beinhalten, und, soweit erforderlich, den Namen, die Adresse und die Kontaktinformationen der Anmelderin bzw. des Anmelders);
  • Gewährleistung, dass die Bestimmungen für die vorherige Anmeldung bzw. Anzeige nicht in einer Weise angewandt werden, die de facto in einer vorherigen Genehmigung resultieren;
  • Erfordernis, dass die zuständige Behörde zeitnah eine offizielle Antwort auf die Erstanmeldung bzw. -anzeige gibt und dass die zuständige Behörde mit allen anderen involvierten staatlichen Behörden im Abstimmungsprozess kommuniziert, inklusive den zuständigen Polizeibehörden;
  • Gewährleistung, dass das Fehlen einer offiziellen Antwort auf eine Anmeldung bzw. Anzeige die Durchführung einer Versammlung nicht verhindern kann;


Über das Erteilen von Auflagen im Vorfeld von Versammlungen

  • Gewährleistung, dass jegliche für Versammlungen erteilten Auflagen eine Grundlage im Primärrecht haben und strikt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, damit insbesondere gewährleistet ist, dass Auflagen eng auf die konkret bestimmten und legitimen Ziele angepasst sind, die die Behörden verfolgen und welche in einer demokratischen Gesellschaft unerlässlich sind;
  • Gewährleistung, dass alle vorab erteilten Auflagen für Versammlungen in Schriftform erfolgen und begründet sind und den Organisator*innen der Versammlungen im gesetzlich vorgeschriebenen Zeitrahmen mitgeteilt werden, wobei hinreichend Zeit für eine Beschwerde oder Einreichung anderer einstweiliger Rechtsmittel vor dem vorgesehenen Zeitpunkt der Versammlung eingeräumt wird;
  • Unterlassung pauschaler Einschränkungen für Versammlungen, die voraussichtlich unverhältnismäßig sind, und Gewährleistung, dass jede Versammlung für sich bewertet wird; zu diesem Zweck Streichung gesetzlicher Bestimmungen oder Beendung vorübergehender Maßnahmen, die anlässlich großer Gipfel oder ähnlicher Ereignisse erlassen wurden, die zu pauschalen Einschränkungen führen können, welche Versammlungen zu bestimmten Zeiten oder an bestimmten öffentlichen Orten verbieten oder bestimmte Formen der Versammlung oder Aktionsformen innerhalb von Versammlungen generell untersagen;
  • Gewährleistung, dass die Versammlungsteilnehmer in der Lage sind, ihre Botschaft in Sicht- und Hörweite ihres beabsichtigten Adressatenkreises zu vermitteln, und dass diesbezügliche Einschränkungen aus Sicherheits- oder anderen Erwägungen nur ausnahmsweise und in verhältnismäßiger Weise vorgenommen werden;
  • Gewährleistung, dass wenn Sicherheits- oder andere Erwägungen zu Einschränkungen von Zeit, Ort oder Art und Weise von Versammlungen führen könnten, diese Einschränkungen unter den gegebenen Umständen erforderlich sind und, wann immer möglich, im Vorfeld mit den Organisator*innen der Versammlungen besprochen werden, damit geeignete Alternativen im Einklang mit dem Grundsatz der Sicht- und Hörweite gefunden werden können;


Über Entscheidungsfindung und Überprüfung

  • Gewährleistung, dass die Regelung von Versammlungen auf transparente Art und Weise durchgeführt wird, wobei die Organisator*innen der Versammlung rechtzeitig über schnelle behördliche Entscheidungen mit gerechtfertigten Begründungen benachrichtigt werden und Rückgriff auf ein schnelles und wirksames Rechtsmittel durch behördliche und gerichtliche Überprüfung gewährt wird;
  • Gewährleistung, dass jede Einschränkung einer Versammlung rechtzeitig und schriftlich an die Organisator*innen der Versammlung kommuniziert wird, einschließlich einer detaillierten Erläuterung der Gründe für jede Einschränkung;
  • Gewährleistung, dass für jede Stufe des behördlichen Verfahrens angemessene Fristen festgelegt sind, die es den Organisator*innen ermöglichen, auf alle beabsichtigten Einschränkungen in einem beschleunigten Rechtsmittelverfahren zu reagieren und/oder diese anzufechten, so dass die Organisator*innen der Versammlung nicht gezwungen sind, diese zu akzeptieren, und dass sie in der Lage sind, den Inhalt einer jeden Einschränkung vor dem Zeitpunkt der Versammlung vor Gericht anzufechten;


Über die Rolle der Organisatorin / des Organisators

  • Gewährleistung, dass die behördliche Aufgabe zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf Versammlungen, einschließlich des Schutzes der Teilnehmer, im Gesetz klar definiert ist und von Polizeibehörden und politischen Entscheidungsträgern auf allen Ebenen als eine zentrale Aufgabe des Staates verstanden wird;
  • Gewährleistung, dass Versammlungsleiter*innen nicht für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung verantwortlich gemacht werden, was sie im Grunde dazu veranlassen würde, die Ordnungsbehörden zu ersetzen, und dass Versammlungsleiter*innen und Versammlungsteilnehmer*innen nicht für das rechtswidrige Verhalten Dritter verantwortlich gemacht werden;
  • Gewährleistung, dass die Rolle von Ordner*innen in Gesetz und Praxis klar als die Rolle von Unterstützer*innen definiert ist, welche die Versammlungsleiter*innen bei der Durchführung von Veranstaltungen auf freiwilliger Basis unterstützen, und dass sie nicht mit staatlichen Aufgaben beauftragt werden, die sich direkt auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung während Versammlungen beziehen;
  • Gewährleistung, dass sich die Rolle von Versammlungsleiter*innen darauf beschränkt, angemessene Maßnahmen zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften für Versammlungen zu treffen, was angemessene Maßnahmen beinhaltet um sicherzustellen, dass ihre Versammlungen friedlich verlaufen und dass rechtskonformen Anweisungen von Ordnungsbehörden Folge geleistet wird;
  • Gewährleistung, dass Versammlungsleiter*innen kein Versicherungsschutz, keine Kosten für die Reinigung nach Versammlungen oder Kosten für andere öffentliche Leistungen (z.B. Polizeibegleitung und medizinische Versorgung) auferlegt werden;
  • Gewährleistung, dass alle Sanktionen gegen Versammlungsleiter*innen, die gesetzlichen Vorschriften von Versammlungen nicht nachkommen, verhältnismäßig sind. Wenn es keine ernsthaften nach anderen Gesetzen strafbaren Handlungen gibt, sollte einem Verstoß gegen diese Anforderungen mit Geldbußen in angemessener Höhe begegnet werden, so dass geringfügige Sanktionen verhängt werden können, wenn die Straftat nur geringfügiger Natur ist;
  • Gewährleistung, dass Versammlungsgesetze keine unbestimmten und weit gefassten Vergehen enthalten, welche den Ordnungsbehörden einen übermäßigen Ermessensspielraum einräumen oder welche übermäßige und unverhältnismäßige Sanktionen gegen Demonstrant*innen ermöglichen;


Über das Zusammenwirken und die Kommunikation der Polizei mit Organisator*innen von Versammlungen und Teilnehmer*innen

  • Bedingungen für eine effektive Kommunikation zwischen den Organisator*innen von Versammlungen, den Teilnehmer*innen und den Ordnungsbehörden vor und während Versammlungen zu schaffen, um die Ausübung der Rechte besser zu schützen und zu unterstützen, gegenseitiges Vertrauen und Verständnis herzustellen, unnötige Konfrontationen zu vermeiden, Spannungen abzubauen, Gewalt vorzubeugen oder störende oder rechtswidrige Zwischenfälle schnell zu beenden, falls diese auftreten;
  • Gewährleistung, dass die Ordnungsbehörden einfach erreichbare Verbindungsbeamt*innen oder andere geeignete Vermittler*innen zur Verfügung stellen, an die sich die Organisator*innen vor, während und nach einer Versammlung wenden können und dass diese Zurverfügungstellungen nicht andere unmittelbar an der Begleitung von Versammlungen beteiligte Polizeikräfte von der Erforderlichkeit entbinden, gegebenenfalls effektiv zu kommunizieren;
  • Gewährleistung, dass die Ordnungsbehörden proaktiv den Dialog mit Organisator*innen von Versammlungen suchen, während diejenigen, die ihr Versammlungsrecht wahrnehmen nicht gezwungen werden mit den Behörden zu verhandeln, und dass ihre Teilnahme an einem derartigen Verfahren grundsätzlich vollkommen optional und freiwillig ist;
  • Verfolgen eines "Keine Überraschungen"-Ansatzes bei der polizeilichen Begleitung von Versammlungen, indem den Organisator*innen so viele Planungsinformationen wie möglich offengelegt werden und Informationen nur dann zurückgehalten werden, wenn dafür eine eindeutige und begründete Erforderlichkeit besteht. Dieser Ansatz kann sich auch auf den Dialog und die Kommunikation im Vorfeld von Versammlungen mit allen beteiligten Gruppen erstrecken, einschließlich potenziell gewaltbereiter Gruppen;
  • Gewährleistung der Zusammenarbeit von Polizeikräften mit Ordner*innen, falls die Versammlungsleiter*innen beschließen, Ordner*innen einzusetzen;
  • Durchführung von Nachbesprechungen für Polizeikräfte und gegebenenfalls andere staatliche Behörden (insbesondere nach außerplanmäßigen Vorkommnissen), unter Einbeziehung von Versammlungsleiter*innen auf freiwilliger Basis als Standardverfahren;
  • Förderung der Vielfalt bei Exekutivbehörden, einschließlich einer stärkeren Repräsentation von Frauen und Minderheiten, auch in Positionen mit operativer Tätigkeit, wie z.B. polizeiliche Begleitung von Versammlungen, und in Führungspositionen;


Über Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen der Polizei und anderen Behörden

  • Gewährleistung einer effektiven Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden und Ämtern, die an der Ermöglichung der Ausübung der Freiheit zu friedlicher Versammlung beteiligt sind;
  • Gewährleistung einer effektiven Abstimmung zwischen den verschiedenen Polizeieinheiten und einer einheitlichen Anwendung der maßgeblichen Verhaltensregeln der Polizei im Zusammenhang mit der Begleitung von Versammlungen;
  • Wege finden, um Erfahrungen und bewährte Verfahrensweisen auszutauschen zwischen den verschiedenen Ämtern und Behörden für die menschenrechtskonforme Begleitung friedlicher Versammlungen, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene, sowie Erwägung die Expertise des ODIHR in dieser Hinsicht in Anspruch zu nehmen;
  • Regelmäßige Erhebung und Veröffentlichung statistischer Daten über öffentliche Versammlungen, die aufgeschlüsselte Informationen über die Anzahl und Art von Versammlungen sowie über Einschränkungen oder Verbote liefern;


Über die polizeiliche Begleitung von Versammlungen, die sich nicht an rechtliche Bestimmungen halten

  • Gewährleistung, dass friedliche Versammlungen nicht aufgelöst werden nur weil sie formale rechtliche Anforderungen für Versammlungen nicht erfüllen; solche Versammlungen sollten dennoch von der Polizei und anderen zuständigen Behörden ermöglicht werden;
  • Gewährleistung, dass polizeiliche Einschränkungen solcher friedlichen Versammlungen nur aus Gründen auferlegt werden, die nach den OSZE-Verpflichtungen und internationalen Menschenrechtsnormen rechtmäßig und erforderlich sind, um das Staatswesen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die öffentliche Gesundheit oder die öffentliche Sittlichkeit (wenn Verhalten für kriminell gehalten wird und gesetzlich so definiert wurde) oder die Rechte und Freiheiten Dritter zu schützen, und nur in verhältnismäßiger Art und Weise;


Über die Anwendung von Zwangsmaßnahmen, Schusswaffen, Ingewahrsamnahme und Einkesselung sowie Auflösung von Versammlungen

  • Gewährleistung, dass Vorschriften zur Anwendung von Gewaltmaßnahmen durch Polizeikräfte, die Versammlungen begleiten, einschließlich der Umstände unter denen Zwangsmaßnahmen angewendet werden können, im Einklang mit den Grundregeln der UN zur Anwendung von Zwangsmaßnahmen und Schusswaffen durch Polizeikräfte* festgelegt und veröffentlicht werden;
    (* Im Original: „Basic Principles on the Use of Force and Firearms by Law Enforcement Officials“: https://www.ohchr.org/en/professionalinterest/pages/useofforceandfirearms.aspx)
  • Gewährleistung, dass die Anwendung von Zwangsmaßnahmen durch Polizeikräfte bei Versammlungen strikt den Grundsätzen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit entspricht und mit den Grundregeln der UN zur Anwendung von Gewalt und Schusswaffen durch Polizeikräfte im Einklang steht;
  • Gewährleistung, dass Taktik und Training zur Begleitung von Versammlungen die Vermeidung der Anwendung von Zwangsmaßnahmen und Deeskalation auf Grundlage von Kommunikation, Verhandlung und Dialog in den Vordergrund stellen;
  • Entwicklung und Veröffentlichung umfassender Vorgaben zur Auflösung von Versammlungen in Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsnormen und -grundsätzen, die das Folgende näher bestimmen:
    1. Die Umstände, die eine Auflösung rechtfertigen
    2. Alle erforderlichen Schritte, die vor einer Entscheidung über die Auflösung zu unternehmen sind (einschließlich Deeskalationsmaßnahmen)
    3. Den Personenkreis, der eine Auflösungsanordnung erlassen kann und
    4. Vorrang der freiwilligen Auflösung vor Rückgriff auf jegliche Zwangsmaßnahmen;
  • Gewährleistung, dass die Versammlungsteilnehmer*innen nur in Gewahrsam genommen werden, wenn berechtigte Gründe für den Freiheitsentzug vorliegen und ohne übermäßige Gewaltanwendung bei Festnahmen;
  • Bereitstellung von Schulungen für Polizeikräfte zur Begleitung bei der Ausübung des Rechts auf friedliche Versammlung mit einem besonderen Schwerpunkt auf menschenrechtskonformer Planung und Vorbereitung, Maßnahmen des Crowd Management im Einklang mit OSZE-Verpflichtungen und Menschenrechtsstandards sowie Erwägung, die Unterstützung des ODIHR in dieser Hinsicht in Anspruch zu nehmen;
  • Gewährleistung, dass Polizeikräfte angemessen ausgebildet, ausgestattet und ausgerüstet sind (einschließlich nicht-tödlicher Technologien), zur Ermöglichung bestmöglich differenzierter und verhältnismäßiger Anwendung von Zwangsmaßnahmen im Kontext polizeilicher Begleitung von Versammlungen;


Über Fotografieren und Videoaufzeichnung von Versammlungen durch Polizeibeamt*innen

  • Gesetzliche Regelung des zulässigen Zwecks und der grundlegenden Richtlinien für offenes Filmen und Fotografieren auf öffentlichen Versammlungen sowie der dazugehörigen Menschenrechtsgarantien;
  • Entwicklung und Veröffentlichung einer detaillierten Verfahrensweise zur Anwendung offenen Filmens/Fotografierens bei öffentlichen Versammlungen, einschließlich einer Beschreibung der Zwecke dieser Handlungen und der Umstände, unter denen sie stattfinden werden können, sowie von Verfahren und Richtlinien zur Speicherung und Verarbeitung der resultierenden Daten und zur Beschränkung der Speicherung auf den Zweck der Aufzeichnung und zur Gewährleistung der Löschung von Daten, sobald sie nicht mehr relevant sind für den Zweck, für den sie ursprünglich aufgenommen wurden;
  • Gewährleistung, dass Polizeikräfte stets die Öffentlichkeit informieren, wenn sie während einer Versammlung Foto- und Videomaterial möglicherweise oder tatsächlich aufzeichnen sowie über die Erfassung, Verwendung und Speicherung der Daten;
  • Gewährleistung, dass Vorschriften über die Verwendung von Gesichtserkennungstechnologien (der Zweck und Bedingungen der Nutzung und Speicherung der damit verbundenen Daten) ausgearbeitet und öffentlich zugänglich gemacht werden;
  • Mechanismen bereitzustellen, mit denen Einzelpersonen überprüfen können, ob Informationen gespeichert wurden - und falls ja, welche Informationen - und mit denen sie Zugang zu einem wirksamen Verfahren zur Erhebung von Beschwerden oder zur Einreichung von Rechtsmitteln im Zusammenhang mit der Erhebung, Speicherung und Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten erhalten;


Über die Rechenschaftspflicht von Polizeibeamt*innen

  • Einrichtung zugänglicher und effektiver Mechanismen zur Rechenschaftspflicht - sofern solche Mechanismen nicht bereits existieren -, die in der Lage sind, unabhängig, umgehend und gründlich Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen oder Übergriffen durch Polizeikräfte im Kontext polizeilicher Begleitung von Versammlungen zu untersuchen;
  • Umgehende, unparteiische und effektive Untersuchung jeglicher Vorwürfe von Übergriffen oder der Verletzung der Rechte von Protestierenden durch Polizeikräfte, und, bei Abwesenheit einer unmittelbaren Beschwerde, wann immer es berechtigte Gründe gibt anzunehmen, dass ein solcher Übergriff oder Rechtsverletzung stattgefunden hat, muss die Untersuchung in der Lage sein, die Verantwortlichen zu identifizieren und vor Gericht zu stellen, mit Strafen die der Schwere des Verstoßes angemessen sind;
  • Gewährleistung, dass diejenigen, die gegen das Recht Einzelner auf Freiheit zu friedlicher Versammlung verstoßen und/oder Übergriffe dagegen begehen, voll zur Rechenschaft gezogen werden; zu diesem Zweck Gewährleistung, dass Polizeikräfte jederzeit einfach und eindeutig identifizierbar sind, wenn sie Versammlungen polizeilich begleiten (einschließlich des Tragens von Schutz- oder anderer Spezialausrüstung);
  • Ermöglichung der Arbeit unabhängiger nationaler Menschenrechtsinstitutionen (NHRIs), um Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen und Übergriffen im Kontext von Versammlungen entgegenzunehmen und zu untersuchen und die Umsetzung des Rechts auf Freiheit zu friedlicher Versammlung zu beobachten;
  • Verbesserung der Beobachtung und der Kollegenbeurteilung der polizeilichen Begleitung von Versammlungen durch Polizeibeamt*innen und Erkundung von Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit und des Austauschs bewährter Verfahrensweisen in diesem Bereich;


Über den Zugang und die Einschränkungen für Medien und unabhängige Beobachter*innen

  • Anerkennung und Bewusstseinsbildung für den wichtigen Beitrag einer unabhängigen Beobachtung für die uneingeschränkte Ausübung der Freiheit zu friedlicher Versammlung;
  • Aktiv die unabhängige Beobachtung und Berichterstattung über die Ermöglichung von Versammlungen und den Schutz der Versammlungsfreiheit durch internationale und lokale Beobachter*innen zu unterstützen, einschließlich durch:
    • Verzicht auf unnötige oder unverhältnismäßige Einschränkungen der Ausübung der Beobachtungen und Sicherstellung, dass die Einschränkungen, die den beobachteten Versammlungen auferlegt werden können, die Möglichkeiten der internationalen oder lokalen Beobachter*innen nicht dabei einschränken, ihre Tätigkeiten ungehindert auszuüben und alle Aspekte einer Versammlung zu beobachten, wie beispielsweise bei Ausschlüssen von Versammlungen, Auflösungen von Versammlungen oder Verhaftungen;
    • Gewährleistung, dass die Beobachter*innen in der Lage sind, Handlungen und Tätigkeiten auf öffentlichen Versammlungen, einschließlich Strafverfolgungsmaßnahmen oder einzelner Exekutivbeamter, zu fotografieren oder anderweitig aufzuzeichnen, und dass solche Video- oder Audioaufzeichnungen nicht ohne ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren sichergestellt, beschlagnahmt und/oder vernichtet werden dürfen und als Beweis in einschlägigen Disziplinar-, Verwaltungs- oder Strafverfahren verwendet werden können;
    • Bereitschaft der staatlichen Behörden, vor, während und nach einer Versammlung, bei der eine solche Zusammenarbeit angestrebt wird, mit Beobachter*innen zusammenzuarbeiten und die Ergebnisse und Empfehlungen, die sich aus deren Bewertung der Ermöglichung von Versammlungen ergeben, angemessen zu berücksichtigen, um den Lernprozess der Institutionen zu fördern, und, allgemeiner ausgedrückt, bei der Erarbeitung von Rechtsvorschriften und Richtlinien, welche die Ausübung der Versammlungsfreiheit berühren;
    • Ermöglichung der Informationsgewinnung durch Menschenrechtsorganisationen oder andere relevante unabhängige Kontroll- oder Beobachtungsorgane oder zivilgesellschaftliche Organisationen, die im Bereich der Versammlungsfreiheit tätig sind, über jede geplante Versammlung;
  • Gewährleistung, dass sowohl traditionelle als auch Bürgerjournalist*innen in der Lage sind, ohne offizielle Einschränkungen über öffentliche Versammlungen, einschließlich der Handlungen von Strafverfolgungsbeamten, zu berichten;
  • Unterstützung der unabhängigen Beobachtung von Versammlungen durch das ODIHR, einschließlich durch:
    • Eine beständige Einladung an das ODIHR, eine unabhängige Beobachtung von Versammlungen in den Teilnehmerstaaten durchzuführen und Versammlungen auf der Grundlage der vom ODIHR festgelegten Methodik zu beobachten, ohne Beeinträchtigung der Zuständigkeit des ODIHR für die Auswahl der zu beobachtenden Ereignisse;
    • Zusammenarbeit mit dem ODIHR im Hinblick auf eine angemessene Berücksichtigung von dessen Feststellungen und die Umsetzung seiner Empfehlungen, unter anderem‘‘ durch Nutzung der Arbeitsinstrumente und der Unterstützung des ODIHR im Bereich der Versammlungsfreiheit;
    • Unterstützung des ODIHR beim Aufbau der Leistungsfähigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen, Menschenrechtsorganisationen und Vor-Ort-Einsätzen der OSZE im Hinblick auf die unabhängige Beobachtung öffentlicher Versammlungen auf der Grundlage der etablierten Beobachtungsmethodik des ODIHR und bei der Sensibilisierung staatlicher Stellen und Behörden dafür, wie die Arbeit unabhängiger Versammlungsbeobachter wirksam unterstützt werden kann;