Bürger*innen beobachten Polizei und Justiz

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Einige Großeinsätze der Polizei, die überregional Empörung hervorriefen – wie z.B. der Schwarze Donnerstag am 30.9.2010 im Stuttgarter Schlosspark oder der Angriff auf die Blockupy-Demonstration am 1.6.2013 in Frankfurt am Main – führten es einer größeren Öffentlichkeit vor Augen:

Seit Jahren ufert die skandalöse Praxis der Polizei immer weiter aus, unliebsame Demonstrationen und Sitzblockaden mit Pfefferspray anzugreifen und aufzulösen. Wahllos wird dabei aus mehreren Metern Abstand in die Menge gehalten, teilweise mit feuerlöschergroßen Sprühgeräten. Unser Beitrag „Eine potentiell tödliche Polizeiwaffe "zwischen Schusswaffe und Schlagstock"“ illustriert dies anschaulich.

Dabei wird bewusst eine ernsthafte Gefähr­dung von Menschen, ein­schließ­lich blei­bender Augen­verletzungen bei Kontakt­linsen­trägerInnen, lebens­bedroh­licher Atem­notanfälle bei chronischen Atem­wegs­erkrank­ungen wie Asthma bis hin zur Gefahr eines ana­phylak­tischen Schocks bewusst in Kauf genommen. Etliche Todesfälle in Folge eines Pfeffer­spray­einsatzes sind dokumentiert, insbesondere im Zusammenhang mit starken Beruhigungsmitteln, Psychopharmaka und Drogen. Eine systematische Untersuchung und Statistik gibt es nicht, es existiert ein Dunkelfeld.

Auf diese Gefahren werden in den bereits im Jahr 2008 herausgegebenen polizeiinternen „Handhabungshinweisen für Reizstoffsprühgeräte mit Pfefferspray“ des „Polizeitechnischen Instituts der Deutschen Hochschule der Polizei“, die für die Polizeien der Länder und des Bundes gültig sind, deutlich hingewiesen.  ([1], Abschnitt „Strengste Vorschriften für den Einsatz von Pfefferspray“ ff.)

Darin werden auch die notwendigen Maßnahmen zur Nachversorgung ausführlich beschrieben. Regelmäßige Praxis ist aber, dass bei Demonstrationen durch Pfefferspray Verletzte nur in den seltensten Fällen eine Versorgung durch PolizeisanitäterInnen erfahren. Ganz im Gegenteil werden DemosanitäterInnen oder HelferInnen von Rettungsdiensten oftmals an einer Behandlung gehindert. Insbesondere bei KontaktlinsenträgerInnen werden dadurch schwere bleibende Sehschäden in Kauf genommen.

So wurden z.B. am Schwarzen Donnerstag auf Weisung der obersten Polizeiführung keine den Einsatz begleitende Rettungskräfte angefordert, obwohl mit einem Einsatz von polizeilichen Gewaltmitteln gerechnet werden musste, und wie sich immer deutlicher herausstellt, die Polizei von oberster politischer Ebene angewiesen wurde, eine Eskalation bewusst herbeizuführen. Rettungskräften wie dem DRK, welche eigeninitiatv die Hunderte von Verletzten (v.a. durch Pfefferspray) versorgen wollten, wurde der Zugang über Stunden verwehrt. An diesem Tag wurde Pfefferspray nachweisbar gegen Hunderte völlig friedliche Protestierende eingesetzt, u.a. „um die Demonstranten zum Verlassen des Platzes zu bewegen“ – unzweifelhaft ein Verstoß gegen die Einsatzregeln. ([1] und [2])

Bereits im Mai 2011 haben wir uns deshalb mit einer Petition an den Petitionsausschuss des Bundestag gewandt, die eine starke Einschränkung dieser unsäglichen Praxis fordert. Insgesamt 5457 UnterstützerInnen schlossen sich unserer Petition an.

Im Weiteren fordern wir gemeinsam mit vielen anderen Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen eine individuelle Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und -beamten. Ohne Kennzeichnung ist es in den meisten Fällen aufgrund der Anonymität nicht möglich, StraftäterInnen in Uniform juristisch zur Verantwortung zu ziehen. Ein Beispiel dafür wird in unserer Pressemitteilung „Niedersächsischer Koalitionsbeschluss zur individuellen Kennzeichnung von Polizei­beamtInnen muss zügig umgesetzt werden“ dargestellt. In diesem Fall geht es um acht Strafanzeigen gegen Polizeibeamte, die eingestellt wurden, weil die Tatverdächtigen laut Staatsanwaltschaft nicht ermittelt werden konnten.
Im Fall des Schwarzen Donnerstag wurden sogar exakt 156 Ermittlungsverfahren gegen PolizeibeamtInnen eingestellt, weil diese nicht identifizierbar waren. ([3])

Außerdem fordern wir von der Polizei unabhängige Beschwerdestellen für Betroffene von Polizeigewalt. Klare Kriterien für solche Kontrollinstanzen wurden gemeinsam erarbeitet von Amnesty International, der Humanistischen Union, der Internationalen Liga für Menschenrechte, dem Komitee für Grundrechte und Demokratie und dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein.